Acta Pacis Westphalicae III C 3,1 : Diarium Wartenberg, 1. Teil: 1644-1646 / Joachim Foerster
1645 V 27

24
1645 V 27
Samstag Chigi an W: Dank für die Nachricht wegen des
25
Bremer Kanonikats [...].

26
Contarini bei W. Hoffnung auf Herausgabe der Propositionen kurz nach
27
Pfingsten, doch wollen die Franzosen mit den Spaniern nicht vor Ankunft
28
der Staatischen verhandeln. W: Stand wegen Geleit für die Mediat-
29
städte
[...]. Contarini: Er vermercke soviel, daß die Schwedische und
30
zugleich die protestirende fursten und stende mit ihnen die gravamina reli-
31
gionis und was deme anhängig ad tractatus pacis zu ziehen vermainten,
32
damit sie allda einmal erledigt würden. W verweist auf die dafür be-
33
schlossene
außerordentliche Deputation

41
Vgl. W. Becker S. 195. Die Deputation zur Behandlung der Gravamina sollte lt. Be-
42
schluß des Frankfurter Deputationstages 1645 IV 19 am 1. Mai 1646 zusammentreten.
. Contarini: Es beklagten sich
34
die protestirende, daß offt wegen erledigung der gravaminum angehalten,
35
es were aber von einer zeit zur andern und von einem convent verschoben.
36
Und weilen nun die Schweden diesen punct proponiren und urgiren wolten,
37
wurde solcher nit wol konnen praeteriirt werden. Ihnen beduncke auch

[p. 183] [scan. 233]


1
selbsten, daß zue erhaltung des friedens nit undienlich all dasjenige vorzu-
2
nehmen und bestendig zu vergleichen, wardurch einige unruhe, krieg und
3
emporung im reich hernegst leicht wiederumb endstehen kondt. Alß viel er
4
vermercken kondte, schiene es, daß man auff der andern seith darauff
5
ginge, damit die im Prager schluß außgesezte 40 jahr auffgehoben, und den
6
inhabern in perpetuum zugeeignet und gelaßen würde, was sie vermög
7
selbigen friedenschlußes ad interim besizen und inhaben. Worauff I. H.
8
G. alsobald hisce verbis expressis geandworttet, ein solches wurde in
9
ewigkeit nit geschehen, auch vor Gott und in dem gewissen nit zu verandt-
10
wortten sein. Mit begehren, ob er, Venetus, die rechte information hette,
11
wie es mit dem Paßawischen vertrag, Kayserliche edict

38
Restitutionsedikt 1629 III 6.
, und Prager
12
friedenschluß hergangen, und was fur ansehenliche fürstenthumb und land-
13
schafften under dem termino der 40 jahren begriffen. Bericht Ws, wie die
14
Protestanten vom Abschluß des Passauer Vertrages an wenigst alle 20 jahr
15
mit offen waffen einen starcken versuch und griff gethan hetten, die catho-
16
lische gegen den so starck clausulirten Paßawischen vertrag zue beschweh-
17
ren , angefangen im Stift Straßburg und dann im Truchseßschen Krieg

39
Tatsächlich ging der nach Konversion Kf. Gebhard Truchseß von Waldburgs (1547–
40
1601, Kf. 1577) um das Erzstift Köln ausgebrochene Krieg (1582–1584) sowohl dem
41
Straßburger Kapitelstreit (seit 1584) wie der von W näher beschriebenen Doppelwahl
42
1592 zwischen Kardinal Karl von Lothringen (1567–1607) und Johann Georg von
43
Brandenburg (1577–1624, Hg. von Jägerndorf 1607) voraus.
.
18
Auß welchen und mehr andern thadlichkeiten man catholischen theylß wol
19
zue befahren hette, daß inskunfftig die uncatholische auch keinen abschied
20
halten würden. Sich mit ihnen aufs new zu vergleichen, auß dem Paßawi-
21
schen schluß zu tretten, wurde nur die begierd und den appetit, mehrers
22
und offters umb sich zu greiffen, erwecken. Die Katholiken haben seit
23
Ferdinand I. vor den Reichsgerichten geklagt bis zum Erlaß des Restitu-
24
tionsediktes
, gegen das die Protestanten den Leipziger Bund

44
Auf Veranlassung Sachsens tagten 1631 II 20–IV 12 die protestantischen Stände in
45
Leipzig und beschlossen die Aufstellung einer eigenen Truppenmacht.
geschlos-
25
sen
und die Schweden ins Land gerufen haben. Den daraus entstan-
26
denen
Krieg habe man durch die Gewährung einer 40jährigen Frist
27
im Prager Frieden zu stillen gemeint. Auf die Frage, ob das edictum aliquid
28
novi und contra pacta Passavica were, und was es in sich hielte, sagten
29
I. H. G., quod non, sondern daß es declarationes der vom gegentheyl contra
30
pacta beschehener contraventionen, und daß secundum ipsa pacta tanquam
31
regulam certam sententia in contradictorio ergangen. Umb so viel weniger
32
sich die catholische desjenigen, was ihnen in bemeltem Prager friedenschluß
33
billich vorbehalten, genzlich und ewiglich gewissens halber begeben kon-
34
ten . Worauf der Venetus replicirt, es wehren doch solches landschaff-
35
ten , die man nit hette, und allwo keine catholische mehr verhanden weren.
36
Wan man dannoch das ubrig bey ietzig so gestalten und gefehrlichen sachen
37
dadurch versicheren kondte, so konte es ein medium des vergleichs sein.

[p. 184] [scan. 234]


1
I. H. G. replicirten hiebey die unbillichkeit der sachen und berichteten,
2
daß im erzstifft Bremen noch einige catholische canonici in metropolitana
3
verhanden [!], ohne das auch in utriusque sexus ansehnlichen clöstern sich die
4
catholische noch befünden. Bey dem erzstift Magdeburg were der dhomb-
5
probst und andere canonici catholisch, und selbiger erzstifft primat Ger-
6
maniae , und von einer sehr großen consequentz, daß man solchen primatum
7
den uncatholischen laßen solte. Das Restitutionsedikt war bereits weitge-
8
hend
durchgeführt worden. Daß man nun das alles also nachlaßen solte,
9
seye ein gewissens sach, und wobey nit wenig zue bedencken stunde.

10
Welches der Venetus reassumirt, und diß dubium movirt, es were Ihre
11
Kayserliche Majestät und die catholische selbst durch den Prager frieden-
12
schluß vom edicto in so weit abgewichen, und würde man auch anietzo
13
auff ein temperament und medium, zu volligem vergleich zu kommen,
14
gedencken müßen. Auff welches I. H. G. replicirt, daß man von dem
15
edicto Caesareo nit abgewichen, sondern nur solches, nach inhalt des Prager
16
schlußes, quoad executionem faciendam suspendirt. Welches der Vene-
17
tus abermal pro novo dubio movendo genommen, weilen man den effectum
18
executionis suspendirt, und von der haubtsach selbsten zu tractiren ver-
19
glichen worden were. So wurde es bey vermutthender bestendigen
20
resolution, daß die Schwedische und protestirende die sachen bey den
21
generalfriedenstractaten wolten vorgenommen haben, nit wol voneinander
22
zu pringen, noch die beruhigung des Teutschlandts zu erhalten sein, wo nit
23
ein medium des vergleichs et temperamentum aliquod bey ihren postulatis
24
zue finden. I. H. G. haben bey diesem vorprachten dubio und discursu
25
angezeigt, wie daß bey diesem weit aussehenden religionsweesen, und bey
26
den von den uncatholischen movirten gravaminibus, wamit sie wurcklich
27
active die catholische alß patientes et laesos beschweren, wan man darauß
28
zu kommen gedächt, certa regula et norma zu sezen. Nun werde sich keine
29
andere regul finden, alß der Paßawisch vertrag. Den hetten die catholische
30
ihres theylß gehalten, und weren dahingegen enormissime laedirt. Und wan
31
die uncatholische der mainung, daß sie nit schuldig, selbigen zu halten, so
32
wurden sie solches den catholischen mit fugen, sonderlich mit so großer
33
gefährlichkeit nit zumutthen konnen. Auch bey aufhebung deßelben die
34
catholische zu ihrem vorigen gehabten iure, deßen sie sich per contractum,
35
so lang er a parte contrahente gehalten [!], wiederumb tretten, und den
36
uncatholischen nichts gestendig sein konnten. Dieses argumentum hat
37
der Venetus wol apprehendirt, und billich zu sein erkandt, daß man den
38
Passawischen vertrag zwar beyderseits pro regula et norma halten muste.
39
Man würde aber zu mehrer versicherung der noch ubriger geistlicher gutter
40
und erhaltung des lieben friedens ein medium et temperamentum bey den
41
tractaten finden müßen. I. H. G. haben abermal deducirt, wie die
42
uncatholische so gar keinen abschied hielten, und indeme sie bey allen trac-
43
taten zu ihrem nutzen die catholische vervortheylten, und was versprochen,
44
nit observirten, würde mit mehrer nachgebung, alß in dem Paßawischen

[p. 185] [scan. 235]


1
vertrag erhalten, wol kein bestendigkeit des vergleichs zu hoffen sein [...].
2
So verhindern sie noch jetzt die im Prager Frieden vorbehaltenen päpst-
3
lichen
Provisionen in Magdeburg und Bremen. Es were ein gefehrliches und
4
unbestendiges weesen mit den uncatholischen, und fünden sich dabenebens
5
so gar unbilliche sachen in ihren postulatis, indeme sie bey dem cammer-
6
gericht beyder religion zugethane praesidenten und assessores in pari
7
numero begehren. Das hieße, dem jeweils zur Ernennung Berechtigten die
8
Nomination von Personen der anderen Religion zuzumuten. Der Vene-
9
tus hat den unfueg dieser praetension wol erkendt, und den protestirenden
10
hierinnen keinen beyfall geben. Weitter aber die anfrag gethan, nachdemal
11
nebenst dem religionweesen die Schwedische auf die general amnisti et
12
effectu suspensivo tollendo starck bestehen würden, wie man darauß
13
kommen möchte. Und alß I. H. G. ihme darauff berichtet, welcher
14
gestalt deßwegen bey dem zu Franckfurt gehaltenen deputationconvent
15
verscheidene consultationes vorgangen, und daruber Ihrer Kayserlichen
16
Majestät der stende guttachten eingeschickt, auch Ihrer Kayserlichen Maje-
17
stät erklehrung darauf willfahrig erfolgt, so wurde solches den frieden zue-
18
mal nicht hindern, wan nur der gegentheyl und eben die Hessisch- und
19
Schwedische, so umb die amnisti yederzeit so starck geruffen, was sie an-
20
dern abgenommen, auch wieder restituirten. Gestalt dan ia nichts billichers,
21
alß wan ahn seithen Ihrer Kayserlichen Majestät die amnistia cum resti-
22
tutione vollnzogen würde, daß der gegentheyl, was er sowol privatis alß
23
fursten genommen, ihnen auch wiederumb zukommen laße. Hatt der
24
Venetus bericht begert, ob ahn seitthen Ihrer Kayserlichen Majestät ein
25
aequivalens in puncto restitutionis vorhanden? Darauff I. H. G., was
26
beraitz mit dem herzogen von Wirtenberg vorgangen, auch mit Lunenburg
27
beschehen und Hessen versprochen

40
Der vom Prager Frieden ausgenommene Hg. Eberhard III. von Württemberg war 1638
41
restituiert worden, hatte dabei aber auf große Teile seines Landes, namentlich die württem-
42
bergischen Klöster, verzichten müssen; vgl. R. Philippe S. 23f. Aussöhnung der Welfen
43
mit dem Kaiser durch die Goslarer Verträge 1642 IV 19 (Druck: J. Dumont Suppl. II 1
44
S. 300ff). Zu Hessen-Kassel vgl. unten S. 288.
, angezeigt, und wieviele wurcklich,
28
welche gegen Ihre Kayserliche Majestät gediehnt und gröblich delinquirt,
29
dero genaden und amnistiae genoßen. Es hetten churfursten und stende des
30
reichs sowol bey lezterem reichstag zu Regenspurg, alß Franckfurterischen
31
deputationtag den herzogen von Braunschweig undt landgravin zu Hessen
32
verscheiden beweglich zuegeschrieben und erinnert, sie möchten die von
33
ihnen begerte vollige amnisti und deren effect mit vorenthaltung anderer
34
gütter selbsten nit remoriren, und zu den führenden klagten ursach geben.
35
Und wurde ratione amnistiae es bey Ihrer Kayserlichen Majestät feinden
36
stehen, daßelbig zu praestiren, was sie von andern begehrten; welcher bil-
37
lichkeit , wan man nachkehme, befünden I. H. G. dieses puncti halber keine
38
difficultet. Es ginge deroselben aber ein anderß zu gemuth, daß die
39
Calvinisten gedachten, in dem religionfrieden mit begriffen zu sein, hetten

[p. 186] [scan. 236]


1
solches mehrmaln gesucht undt nit erhalten. Solte es ihnen nun anietzo
2
gelingen, und die Schwedische, welche Lutherisch, auff ihre seitthen prin-
3
gen , wurden dieselbe ihres verstorbenen konigs dem landgraff Wilhelmen
4
von Hessen

40
Wilhelm V. von Hessen-Kassel (1602–1637), Lgf. 1627.
auf die Bitte um Einräumung von Kirchen in Frankfurt gegen
5
Geld gegebener andwort zumaln vergessen sein. Welche die geweßen, daß
6
er zu fortsezung der Calvinischen religion den krieg nit fuhrete, und wan
7
er wiste, daß den Calvinisten dadurch das geringste zuwachsen solt, lieber
8
wunschen thette, daß alle spitzen von den piequen seiner armaden in
9
seinem herzen stächen. Warauff der Venetianische, wan die Luttheri-
10
sche und Calvinische nit ainig, so weren sie dabey zue laßen. Welches
11
I. H. G. damit beandtworttet, in religionssachen weren sie zwarn uneinig
12
gnug, in uno tertio aber, die catholische zu vertreiben, und die geistliche
13
gutter und gefälle ahn sich zu ziehen, kehmen sie wol ubereins und hielten
14
steiff und fest zusammen. Vergebliche Waffenstillstandsangebote an Frank-
15
reich
. Contarini stimmt zu, daß er den Stillstand bey solchen tractaten
16
wol nöttig zu sein erachtete [...]. Und obwoln Ihre Kayserliche Majestät vor
17
diesem nit ungenaigt möchten gewesen sein, zweifflete er dannoch iezo deß-
18
wegen , daß der Torstensohn so weit in die erblanden hieneingangen, und
19
allda sich formirt hette; zuedeme wehren anderer interessenten inclinatio-
20
nes zu vernehmen. Wan man sich aber dißfalß einer intention kondte ver-
21
sicheren , alßdan noch was fruchtbarliches hierinnen zu negotiiren sein
22
möchte. Klage über mangelnde Geheimhaltung bei den Verhandlungen und
23
Zeitverlust durch die Relationen zwischen Münster und Osnabrück. Fehlen
24
eines Mediators in Osnabrück. Dieses lezter reassumirten I. H. G. und
25
vermeldeten, daß sie deßwegen auch schon von andern meldung gehort.
26
Und fragten dabey, ob er Venetus wol vermainte, daß die Schweden einen
27
catholischen pro mediatore annehmen würden. Sagt er mit wenigem, daß
28
ers eigentlich nit wüste. Vor diesem hetten sie sich zwar vernehmen laßen,
29
daß die res publica Veneta, oder einige chur- und fürsten des reichs zu der
30
Oßnabruckischen mediation kondte gebraucht werden. Frage der Heirat
31
der schwedischen Königin. Die von W angezogenen Verhandlungen mit
32
Brandenburg hält Contarini für so wenig aussichtsreich wie alle anderen,
33
vielmehr würden die schwedischen Großen jede Heirat zu verhindern
34
suchen, um den eigenen Einfluß zu vergrößern. Servien hat ihm angedeutet,
35
Königsmarck mit 5000, Turenne mit 1500 und die Hessen mit 4500 Mann
36
würden sich gegen die Bayern zusammentun.

Documents