Acta Pacis Westphalicae III C 3,1 : Diarium Wartenberg, 1. Teil: 1644-1646 / Joachim Foerster
1645 I 20

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1645 I 20
Freitag W bei Saavedra. In der Absicht, etwas über das
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Verhalten der Spanier beim Einzug der Bayern zu erfahren, lenkt W das
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Gespräch nach allgemeiner Einleitung darauf und betont, die Ksl. seien
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zum Entgegenschicken und allem Übrigen bereit, auch am Nuntius zweifle
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er nicht. Worauf der Savedra, was es solchen endgegnschicken bedörfft.
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Auff reichstägen geschehe nichts dergleichen, seye auch Churbayern selbst

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anno 1636 in persona all’ incognito zue Regenspurg ohn einige einbeglai-
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tung ankommen, und weilen nun iezt neque Caesar neque ulla maiestas hier
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seye, konte die hereinkombst wol all’incognito geschehen. I. H. G. and-
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wortteten , sie wüsten eben nit, wie es die Churbayerische vorhetten oder
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bevelcht weren. Kondten aber wol erachten, nachdem das endgegenschik-
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ken schon vorhin angefangen und andern geschehen, so würden die, welche
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in eodem gradu, nicht anderst wollen gehalten sein, sondern ein yeder, was
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ihme gebührt, praetendiren. Fragte darauf Savedra, in qua qualitate
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die Churbayerische kommen wurden, ob alß formal gesandte? Auff
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welches I. H. G., sie wüsten nit anderß, hetten doch derselben commission
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nit gesehen, seyen aber yemandts auß ihnen gewerttig, von dem sie allen
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bericht haben wurden. Und wan sie schon all’ incognito herein kommen, so
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werden sie doch alß formal legati in allem wollen tractiert und gehallten
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sein. Meldete hierauf Savedra, Churbayern tractirte die Spanische
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gesandten allein, ’Illustrissimus‘, und daß er seinen gesandten ’Excellenz‘
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geben solt, hab er gros bedencken! Dem I. H. G. zur andwort geben, er
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müste nit argumentiren von den gesanden ad principalem ipsum; der konig
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von Spanien difficultire dem churfürsten auß Bayern das praedicat
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’Altezza‘ zue geben, ob er alß ein gesandter desgleichen thun wolt? Der
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Savedra sagt, es seye ein lauttere newerung im reich, ambasciadores zue
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schicken. Auff welches I. H. G., die cur- und fürsten des reichs seyen
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principes liberi, die vermög der reichsconstitutionen vor 1, 2, 3 hundert und
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mehr jahren und lang zuvor, ehe die außwertige coronen sich dergestalt in
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die reichssachen gemischt, ambasciadores geschickt; schicken kinden sey
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keine newerung, werden ihnen auch solches pro sua libertate et praeeminen-
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tia von keinem benemmen oder disputiren laßen; wie er dan die Churbairi-
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sche oder Brandenburgische tractiren wolte? Andwortet er: ’ Illustris-
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simo ‘. Darauf I. H. G., er werde leicht gedencken konnen, wan ein chur-
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furstlicher vom Spanischen gesandten solte allein ’Illustrissimo‘ titulirt wer-
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den , so muesten die geringerer fursten gesanten ’molt’ Illustre‘ tractirt wer-
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den ad distinctionem. Er aber sagte, nein, sondern nur ’Vostra Signoria‘.
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I. H. G. versicherten ihn, da einiger von hiesigen gesanten der fursten
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gesanten also tractieren wurden, das sie eben das von ihnen wider zu ge-
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wartten hetten. Die koniglichen gesanten und churfürstlichen weren gleich.

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Darauf sagte er: nein, ein konig seie mer. I. H. G. andwortteten, das
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verstehe sich selbst, aber die gesante alß gesante weren gleich, und weilen die
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konig mehrer, so giengen deßen gesanten vor. Sonsten wusten sie kein diffe-
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renz . Savedra fragt auf dieses, ob dan die iezo zu Franckfurt anwesende
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titulo excellentiae sich tractiren ließen? Andwortteten I. H. G., wie
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es da gehalten würde, wüsten sie nit. Wan die reichsstende den constitutio-
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nibus imperii nach, gleich iezo zue Franckfurt, beysammen weren, habe er
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alß legatus Hispanicus oder andere extranei bey den consiliis nichts zue
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thun noch darvon hiehero zu argumentiren, dan mit diesem conventu seye
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es ein extraordinari sach, und wurden die stende, wan in ihr und des reichs

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praeiudicium noviteten in titul oder sonst solten angefangen werden, nicht
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darzu stillschweigen konnen. Es seyen modi diversi legationum, und werde
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er in den reichsconstitutionibus finden, daß die deputati iezt gesandten,
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dan pottschaffter, rhäte etc. genend und verordnet worden. Er selbst were
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in verscheidenen ambassaden und occasionen von wegen der cron Spania
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gebraucht, ob ihme yederzeit das praedicatum Excellentiae wie iez gegeben
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worden, werde er wissen. Und alß er sagt, warumb dergleichen noviteten
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wurden angefangen, andwortteten sie, das kerne nirgendt anderst alß vom
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Kayserlichen hoff her, da der republic zu Venedig das decretum heimblich
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contra constititiones imperii et nescientibus electoribus, alß welche des vor-
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gangs in possessione notorie weren, gegeben und darnach illis legitime con-
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tradicentibus manteniert werden will, daß Venedig pro testa coronata
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declarirt. Und wie sich nun die herren churfursten dadurch ahn ihrer her-
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prachter praeeminentz nit praeiudiciren laßen konnen noch wollen, alß
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seye deßwegen von Ihrer Majestät den hiesigen Kayserlichen expresse com-
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mission aufgetragen, sie die curfürstlichen gesanten, so von ieden geschickt
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werden, nit geringer im wenigsten zu halten. Savedra fragt, was solches
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fur eine Kaiserliche commission wer? Sagten I. H. G., daß sie die chur-
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fürstlichen formal gesandten mit endgegenschicken und in allem andern
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halten und wiederfahren laßen solten, was dem Venetianischen gesche-
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hen

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Kaiser an Gesandte Münster 1644 X 19 (Druck: APW [ II A 2 S. 32f ] .).
. Alß nun hierauf Savedra replicirt, daß er keinen befelch von
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seinem oberen dißhalber habe, fragten I. H. G., ob ihm dan das contrarium
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befohlen, die churfürstlichen gesandten anderst, alß die Kayserlichen und
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andere thun würden, auch geringer als Venediger zu halten. Andwort-
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tete er: nein. Worauf I. H. G. gesagt, sie glaubten nit anderst, und wür-
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den eben darumb solche discrete und erfahrne subiecta bey den ambassaden
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gebraucht, welche dasjenig, was in der instruction nit gesetzt, zu suppliren,
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und sich andern zu bequemen wisten. Hiernach fragte der Savedra
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weitter, was die Franzosiche zu thun gemeindt? Worauf I. H. G., sie
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wustens nit, hetten keine correspondenz mit ihnen, zweiffleten aber nit, sie
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wurden eben das hierinnen thun, was der nuncius apostolicus und die Kay-
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serlichen und waz ihro geschehen sey. Dan ein anders zu gedencken, würde
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nit verstendig und gegen ihre aigne principia gethan sein, daß sie die er-
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scheinung so bestendig begert und sie schrifftlich berueffen haben, und nun
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durch dergleichen das auspleiben zu großem ihrem verweiß veruhrsachen,
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die churfursten disgustieren und offendieren solten. I. H. G. seyen viel
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mehr der mainung, daß wan sie vermercken, daß von den Spanischen deß-
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wegen difficultet gemacht, sie solches gern sehen, und darumb desto eher
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den gesandten die ehr thun, also sie herren Spanische den undanck allein
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haben würden. Solten aber die Franzosische sie hierinnen imitiren und mehr
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nit alß die Spanische thun wollen, auch dahero die herren churfursten
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die schickung underlaßen, dörffte dadurch ahn seithen Franckreich ge-
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wünscht ursach genommen werden, die tractaten wegen der churfursten ab-

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wesenheit , wie bißher, noch ferner zue verweilen, alßdan die ganze schuld
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auf die Spanier, alß die solches mit verwaigerten tractament gegen die
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churfursten veruhrsacht, schieben. Wobey I. H. G. ihme in vertrawen nicht
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wolten verhalten, daß sie in instructione außtrucklich hetten, daß, wofern
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von einigen gesanden ihro die gebührende ehr in ein und anderem nicht
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solte wiederfahren, sie denselben auf gleiche weiß zue begegnen und keine
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visita zu geben hetten; wusten auch anderer herren churfürsten intention
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und conclusum gleichmessig. Hierdurch ist der Savedra ad meliorem
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rationem und so weit gebracht, daß er vermeldt, er sage nit, daß er diffi-
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cultet machen woll, nur hab es discurß hiervon geben, und daß man nach-
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denkhen müsse. Und sagten I. H. G. darzu, sie konten ihr selbst nit
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laßen vorstehen, daß man a parte Spanien die chur-, fursten und stende des
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reichs, alß deren sie ebensowol alß der Kayser vonnöthen hetten, dergestalt
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mit verwaigerung denselben gebuhrender ehr und herprachter praeemi-
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nentz , gleichsamb mit fleiß, sonderlich bei diesen zeiten, wolte disgustiren;
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hetten es auch umb sie und das hauß nit verdient. Hielten auch nit, daß
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von einigen andern gesandten difficultet gemacht werden solt. Wusten
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sonst, daß die herren churfursten noch vor ihrem hereinzug deßen under
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sich eins worden, daß sie die ihrige nit schicken wolten, es gehe auch wie es
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wolle, wan ihnen das behörende tractament nit solte gegeben werden.
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Zwarn würde etwa umb eines gesanten wegen, so sich waigerte, eben so viel
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nicht zu thun sein, auff den fall aber zu verspuhren, daß ein und ander alß
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Franckreich und Venedig solten vergleichen, wolten sie versichern, daß die
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Churbayerische balder wieder zueruck sich begeben, auch Churmainz und
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Brandenburg, da sie von einiger difficultet, so den Churbayerischen movirt,
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nachricht erlangen, weder nacher Oßnabruck noch hieher abordnen wür-
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den . Warauff der Savedra, I. H. G. weren nomine der herren chur-
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fursten hier, was sichs dan der ubriger und so vieler gesanden bedörffte?

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Deme sie hienwieder, auff allgemeinem churfürsten- und reichstag seye,
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neben der collegialdeputation einem yeden churfursten erlaubt und frey-
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gestellt , durch die seinige zu erscheinen; were von allen coronen beliebet, ia
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auch von Franckreich so starkh seithero der effectus sollicitirt worden. Da
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auch keiner weitter schicken würde, so seye doch Churbrandenburg sambt
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Churcollen nomine totius collegii deputirt, solte nun dieser auß angezogener
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difficultet zu schicken underlaßen, wurde besorglich auch I. H. G. von
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Churcollen habende commission erlöschen, und auf solche weiß von den
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herren churfürsten niemandts bey den tractaten sein; solchen falß ein yeder
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verstendiger leicht zu erachten, was hierauß erfolgen und wie einiger
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schluß zum frieden sowol furs reich alß Spanien konne erhalten werden;
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weme auch alßdan die schuld von allen unpassionierten werde mögen im-
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putirt werden. Hierauff wiederholte der Savedra seine obige endschul-
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digung , daß er nit sag, daß ihres theylß würde difficultet gemacht werden,
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seye allein red davon vorgefallen und movire er es discurßweiß. Und
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folgendts I. H. G., daß sie es genzlich praesupponiren, und gebe auch ihr

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solcher discurß davon zu reden anlaß. Seyen sonsten der bestendigen ge-
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dancken und mainung, daß er alß der vornembster gesandter nach den
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Kayserlichen alhier, wan er solte vernehmen, daß dergleichen wieder der
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herren churfürsten praeeminentz und gebührendes tractament yemandts
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moviren würde, mit seiner prudenz und dexteritet auß angezogenen
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rationibus denen daraus endkommenden inconvenientiis contraminiren und
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die sachen per la causa commune und guetter zusamensezung desto mehr zu
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einem bessern dirigiren werde [...].

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Mitteilung an d’Avaux: Bereitschaft Ws zur Vermittlung bei den Gene-
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ralen in der portugiesischen Sache; bevorstehende Ankunft der Bayern.

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D’Avaux: Daß er ganz ungern verspuhrt, wie von etlichen wolle diffi-
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cultirt werden, gemelte Churbayerische fur fürstliche gesanden zu halten
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und zu tractiren; verhoffe aber, es solle die sach sich noch auf bessern weg
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leithen und dirigiren laßen, were sonst sein collega vom Venetianischen
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starck eingenommen. Seines theylß begreiffe er nit, warumb man die chur-
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fursten und sonderlich Bayern zu disgustiren gedenck [...].

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