Acta Pacis Westphalicae III C 3,1 : Diarium Wartenberg, 1. Teil: 1644-1646 / Joachim Foerster
1644 XII 29

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1644 XII 29
Donnerstag Berufungsschreiben zum westfälischen Kreis-
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tag

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Anlage 12 (Pfalz-Neuburg an W): fehlt.
[...].

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Nassau / Volmar bei W. W: Wegen dieses Schreibens zu bedenken,
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erstlich was Ihrer Kayserlichen Majestät interesse und hocheit, wegen ange-
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master convocirung des Westvalischen craises, was darauf zu thun und vor-
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zunehmen , 2. was Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht zu Collen alß bi-
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schoffen zu Munster, welcher in viele wege hierinnen zu nahe getretten, zu
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beobachten, 3. I. H. G. wie auch der graff von Naßaw als craißstende hin-
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wiederumb zu andtwortten, und dan 4. was weitters bey dießen haubt-
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tractaten in hoc puncto convocationis statuum et circulorum zu conside-
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riren ? Nachdemalen nun der erst und letzter punct Ihre Kayserliche Maje-
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stät concerniren thette, I. H. G. auch beym 3. ungern etwas thun wolten,
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so deroselben intention zuwieder, alß hetten zu begehren, ob ihnen gefellig,
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ihre gedancken daruber unbeschwerd zu eroffnen. Nach Beratung der
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Ksl. Volmar: Der Kaiser wird das Vorhaben des Pfalzgrafen an sich und
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wegen der für den Kreis mit Köln getroffenen Vereinbarung

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Übertragung der alleinigen Kreisbeschreibung und damit des Kreisdirektoriums an
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Münster wegen der rechtlich nicht entschiedenen Jülicher Sukzession zuletzt Dezember
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1643, vgl. J. Foerster S. 252f.
mißbilligen.
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Sie wollen ihm raten, selbst an Köln und den Pfalzgrafen zu schreiben.
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Beym andern punct seyen Ihre Churfürstliche Durchlaucht zu Collen ihres
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stiffts Munster und demselben alß ausschreibenden fürsten competirenden
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iuris halber, auch wegen von Kayserlicher Majestät habender special com-
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mission , das ausschreiben und direction im craiß allein zue beobachten, gar
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zu hoch interessirt, dahero viel weniger zu zweifflen, sie wurden die not-
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turfft daßwegen in gebuhrende obacht ziehen und durch absonderliche
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schreiben ahn die craißstende dieses modi procedendi alsobalden sich be-
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schweren , mit fernerem andeuten, daß von Ihrer Kayserlichen Majestät sie
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der weitteren verordnung erwartten, underdeßen aber auf dergleichen
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ungültige convocation von ihren stifftern und landen niemandts erscheinen
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würde. Benebenst musten Ihre Churfürstliche Durchlaucht ahn den pfalz-
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graffen nothwendig eine wolfundirte contradiction abgeben, zumalen
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dieses, daß ein des craises außschreibender fürst ohne mitbewilligen und
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belieben des andern eine craißversamblung allein, und zwarn in tali mate-
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ria , die keine craißsachen, sondern das ganze reich concerniren, anstellen

[p. 35] [scan. 85]


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solte, den constitutionibus recta zuwiederlauffe. Den 3. puncten belangend
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suche der pfalzgraff sein praetendirendes ius ratione Gulich durch diesen
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und dergleichen actum zu solidiren, wie aber das ausschreiben bey seinem
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belieben gestanden, und wan die stende darauf nit erscheinen, eo ipso fur
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sich selbst zerfallet, so weren sie der mainung, daß einige andwort darauf
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nicht zu geben, sondern es beym recipisse allein zu laßen seye. Ad 4. sey diß
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ein weit aussehend werck, da entgegen den Beschlüssen von 1636 und 1641
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die Kurfürsten nit allein bey deren außn collegio verglichenen deputation
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nit verplieben, sondern auch der mehrer theyl in beandtwortung der Fran-
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zosischen schreiben bey den tractaten sich zu compariren anerpotten.
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Dahero dan die craise, der handlung collegialiter mit beyzuwohnen, anlaß
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genommen, und auch anderst nit zu vermutthen, alß daß die fursten und
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stätte die zu eben solchem ende bey noch wehrendem deputationtag zu
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Franckfurt vorprachte fundamenta nachmaln moviren, und wenigers nit
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eine collegialschickung ad loca tractatuum werden thun wollen. Gestalt dan
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die Franzosich- und Schwedische beraiz hiervon nachricht erlangt, und biß
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darahn mit ihrer proposition ad pacem zueruckhalten, welches den haubt-
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tractaten beraitz einen gantzen monat zeit anstand mit vielem disputiren
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veruhrsacht, und noch mehrer zeit dern anzeig nach damit zubracht und
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verlohren gehen würde; welches zue verhuetten beßer und zu wunschen
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gewesen, obbedeut gemachte reichs- und collegialconclusa in ihrem vigore
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ungeändert zu laßen. Es seye leicht zu erachten, was fur große confusiones
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geben werde, wan die collegia formaliter, wie auff reichstagen bräuchig,
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oder auch per circulos erscheinen würden, in bedencken dadurch auch den
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churfursten selbst ihre praeeminenz, und was ihnen auf iungern reichstag
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von den gesambten stenden ubergeben, wiederumb wurde geändert und
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benommen werden, indeme alßdan der churfurstliche craiß die deputation
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zu thun, welches alles ein weit großers, und dem gemeinen weesen schäd-
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lichers aussehen haben wurde, alß man anfangs vermainen mochte. Zue-
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malen von wegen der Ober- und Niedersachsische craiß außer zweiffel die
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inhabere der ertzstiffter Magdeburg und Bremen

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August von Sachsen (1614–1680), Administrator von Magdeburg seit 1638, Sohn Kf.
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Johann Georgs I. von Sachsen; Friedrich von Dänemark (1609–1670), Administrator
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von Bremen 1635–1648, von Verden 1623–1629, 1635–1648, Sohn König Christians
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IV. von Dänemark, seit 1648 als Friedrich III. Kg. von Dänemark.
sich würden deputiren
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laßen, die zwar die session bey den craißen herbracht, auff reichstägen aber
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mans denselben ex parte imperii niemalen gestanden, wadurch dan nit
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allein dem Romischen reich, sondern auch dem ganzen catholischen wesen,
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indeme sie mit ihren praetensionen auff die stiffter, auch mit declarir-, ver-
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änder- oder wol gar auffhebung des Paßawischen vertrags, religion- und
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Prager friedens herankommen werden, ein sehr großes praeiudicium wurde
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zugezogen. [...]. Chigi hat gegenüber den Ksl. geäußert, die Franzosen
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würden wohl doch noch von ihrer Forderung abgehen und sich innerhalb
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von 3 bis 4 Tagen auf Sachverhandlungen einlassen. Contarini hat die

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Schwierigkeiten der Zuziehung aller Stände eingesehen und in diesem Sinne
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mit den Franzosen gesprochen. Auf deren Einwand, warum man die übrigen
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Stände ausschließe, wenn die gesamten Kurfürsten collegialiter erschienen,
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hat er die Teilnahme einer engeren Deputation des Deputationstages ad
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evitandam confusionem in tanta multitudine und die spätere Ratifikation
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durch einen Reichstag vorgeschlagen, wogegen die Franzosen einwandten,
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daß dann nur Anhänger des Kaisers deputiert würden. Die Ksl. haben
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Contarini informiert, daß die Zusammensetzung der Reichsdeputation un-
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abhängig
vom Kaiser festliege

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Mitglieder der ordentlichen Reichsdeputation waren die Kurfürsten außer Böhmen,
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ferner Österreich, Burgund, Bayern, Braunschweig, Jülich, Pommern, Konstanz,
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Münster, Würzburg, Hessen, Abtei Weingarten, Grafschaft Fürstenberg, Stadt Köln,
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Nürnberg.
und nur durch einen Reichstag geändert
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werden könne. Der Reichshofratssekretär Schröder

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Wilhelm Schröder (gest. 1679), Reichshofratssekretär, später als Sekretär Trauttmans-
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dorffs auf dem Friedenskongreß.
ist nach Frankfurt
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geschickt worden, um die engere Deputation vorzuschlagen. In diese kön-
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nen
, da vom fränkischen Kreis bereits Würzburg und Nürnberg benannt
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sind, noch zwei Stände der geistlichen und weltlichen Bank und die Stadt
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Köln aufgenommen werden. W: Hält wegen des Pfalz-Neuburger
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Schreibens die möglichst schnelle Benachrichtigung des Kaisers für nötig,
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Kurköln wird die angeregten Schritte unternehmen, auch die münste-
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rischen
Räte beraten mit dem Kapitel schon darüber. Er ist der Mei-
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nung
, daß von wegen Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht in diesen craiß
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gelegener 4 stiffter alß Münster, Paderborn, Lüttig und Stablo, auff solch
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des pfalzgraffen ausschreiben, gleich vor diesem, niemandts erscheinen
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würde, gestalt auch I. H. G. wegen dero stiffter Oßnabruck, Minden,
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Verden und der graffschafft Schaumburg niemandts abzuordnen gedäch-
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ten . Und nachdemaln beyde stiffter Corvey und Essen hiebevor allzeit
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Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht zu Collen sich bequehmet, und iezo
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gleichfalß zu vermutthen, so würde von der fürstenbanck keiner schicken.
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Die graffen hetten sich vor diesem insoweit separirt, und den Gulichischen
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ausschreiben und ansagen eingefolgt; ob sie nun iezo dergleichen thun wer-
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den , und den craiß allein repraesentiren wollen, stünde zu gewartten
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[...]. Nassau verspricht, daß von Kurköln er nit allein sich hierinnen
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nicht separiren, sondern auch bey dem graffenstand alß seinen vettern
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dahin bemuhen wolte, daß von ihnen auf sein pfaltzgraffens convociren
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niemandts möchte compariren, hielte auch ganz nottig und gut zue sein,
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daß Ihre Churfürstliche Durchlaucht, wie vorahn gedacht, dehortatorios
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ahn alle craißstende furderlichst abgehen ließe. Weitters erwehneten
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I. H. G., daß dise des herzogen zu Newburg anmaßende beruffung der
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stende nicht allein dem gemeinen weßen, sondern auch demjenigen [...] gar
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gefährlich seye, was wegen nottiger craißdefension und der soldatesca
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underhalt zwischen Ihrer Kayserlichen Majestät und den gehorsamen

[p. 37] [scan. 87]


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stenden verglichen und zu werck gesetzt, weilen nicht zu zweifflen, daß er
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pro more suo alles würde reassumiren, und nebens der Kayserlichen Ihrer
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Churfürstlichen Durchlaucht zu Collen aufgetragener commission zunichte
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zu machen understanden haben, zumalen er demselben ye und alle weg sich
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wiedersezt, und auf eine neutralitet das absehen gerichtet

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Zum Streit um die von Pfalzgf. Wolfgang Wilhelm angestrebte Neutralität bei den
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westfälischen Kreistagsverhandlungen 1642–44 über die Einrichtung der Kreisdefen-
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sionsverfassung vgl. J. Foerster S. 232ff.
. Und wie er nun
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vor dießem darauf angeschlagen und sich erpotten, daß er in persona
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nacher Pariß raisen und dem craiß die neutralitet erwerben wolte, also
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seye kein anderß zu praesumirn, alß daß er auch iezo von wegen des
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craißes auf der stende unkosten anhero deputirt zue werden sich die ge-
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dancken mache. Deme aber hierdurch, wan nemblich zue Franckfurt auß
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dem Westvalischen craiß Munster zu der engeren deputation benend, wurde
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vorkommen, da alßdan Gulich, alß bey der haubtdeputation außgeschlos-
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sen , nichts zu praetendiren hette.

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