Acta Pacis Westphalicae III C 3,1 : Diarium Wartenberg, 1. Teil: 1644-1646 / Joachim Foerster
1644 XI 29

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1644 XI 29
Dienstag Contarini bei W. Nach gegenseitigen Beteuerun-
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gen
des Friedenswillens äußert Contarini, daß zwischen Spanien und
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Franckreich frieden zu machen, nit sonderbar viel difficulteten haben
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werde. Befinde die ganze sach in 4 oder hochstens 5 puncten bestehen,
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welche alle, seines ermessens, wol zu superiren sein werden, das Teutsche
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wesen aber komme ihm ahm allerbeschwerlichsten vor, zumaln soviel
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haubter im reich weren, soviel chur- und fürsten, die alle ihr hohes interesse
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movirten und hetten. Hierauf haben I. H. G. geandtwortet, daß man,
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soviel Spanien und Franckreich anlangete, offt gesehen, obgleich zwischen
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selben frieden gestifftet, doch das innatum odium und aemulation baider
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nationen nicht aufgehebt werden konnen, darauß dan allzeit wiederumb
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newe krieg endstanden, die auch durch so vielfeltige reciproca matrimonia
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auch bey diesen zeiten nit zu verhütten gewesen, stunde dahero nit wenig
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zu zweifflen, ob der friede zwischen obgemelten beyden cronen leichter
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alß dem reich und Franckreich werde zu erheben sein. Sey sonsten nit ohn,
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daß die Teutsche sachen zu componiren etwas schwer sein wolte. Wan aber
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das reich von den außwendigen bey seiner libertet, splendor und unange-
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fochten gelaßen, consequenter die reichsconstitutiones und fundamental-
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sazungen in vigore geplieben, wurde regula facilis sein, zum inwendigen
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frieden zu gelangen. Und obgleich in imperio ab uno seculo et ultra divisio
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religionis endstanden, und man dahero im reich selbst in principiis discre-
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pant gewesen, hette man sich doch, ehe die außwertige frembde nationes in
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die reichssachen sich gemischt, all noch miteinander betragen konnen.

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Welches er pottschaffter zwar nicht wiedersprochen, kurz aber darnach
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vermeldet, daß doch geistliche und andere im reich, die sich uber den
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Prager friedenschluß

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Der Prager Frieden 1635 V 30 zwischen dem Kaiser und Kursachsen (Druck: J. Dumont
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VI 1 S. 88–101) hatte als Normaljahr in den kirchlichen Fragen 1627 festgesetzt und die
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Wiederaufnahme entgegenstehender Rechtsansprüche für 40 Jahre vertagt.
so hoch beschwerden, und ungern sehen, wan derselb
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in seinem esse verpleiben solte; fiele bald hiervon ab, und sagt, daß sichs
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gegen negst sontag herfurthun und zeigen wurde, were lust zum frieden
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und was fur mittel darzu yeder pringen werde. Were nun iezt rechte zeit
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hieran fleißig zu arbeithen, dan er nicht absehen konte, daß der fried, stan-
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tibus armis in campagnia zu erhalten, weiln ein und ander auf ein gluck-
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lichen vorstreich, oder victori yederweil wartten werde. Aniezo, weilen der
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winter die exercitus ausm feld treibe, und man ein monat 6 oder 7 gleich-

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sam treves haben konte, muste die handlung starck getrieben, zum fall aber
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underdeßen der fried nit perfectirt, nohtwendig solch armistitium den
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sommer hindurch verstreckt werden. Worauff I. H. G. geandtworttet,
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der winter seye zwar zur handlung die bequembste zeit, allein müste man
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vernehmen, ob und mit was conditionen et quo modo dem gemeinen wesen
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nutzlich ein anstand der waffen zu bewilligen. Warauf er pottschaffter
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allein, die occasion würde alles geben und lehrnen, geandwort. Und meldete
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hernach, alß weittere red von den tractaten vorfiele, daß biß dato darahn
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und in negotiis imperii große hindernus verspührt, indeme die Kayserliche
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abgesandten wo nit alles, doch meistens ad referendum genommen, und
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darauß erst nachfolgend Ihre Majestätt mit den herrn churfürsten, die weit
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voneinander gesessen, communicirt, welches dan alberait so viel monat zeit
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hinweggenommen; wolle aber nunmehr hoffen, weilen I. H. G. alß chur-
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fürstlicher deputirter alhier, auch der Churbrandenburgische kommen solt

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Kurköln und Kurbrandenburg waren als Deputierte des Kurkollegs für die Verhand-
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lungen mit Frankreich auf dem Regensburger Kurfürstentag 1636 bestimmt und auf
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dem Reichstag 1640/41 bestätigt worden; daneben konnten die Kurfürsten auch einzeln
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deputieren. Vgl. H. Haan S. 144ff, Reichstagsabschied 1641 X 10 ( Reichsabschiede
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III S. 548–574); zur Vertretungsfrage insgesamt W. Becker S. 133ff.
,
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man furterhin so viel zeit mehr nit werde verliehren müßen. Entschuldi-
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gung
, daß er erst nach den Franzosen zu W gekommen ist; er hat bei diesen
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schon geklagt, daß sie ihm als Vermittler nicht den Vortritt gelassen haben.
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Reck bei Nassau: W kann wegen des Kondolenzbesuches nicht nachgeben,
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sondern muß gemäß seiner Instruktion bei den beiden rivalisierenden
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Mächten Frankreich und Spanien die Besuche in der Reihenfolge ablegen,
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wie sie ihm gemacht werden. Zudem ist von Kurköln noch kein Kondolenz-
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schreiben
, wie es bei solchen Gelegenheiten überreicht wird, eingetroffen; fer-
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ner
muß W den Kondolenzbesuch der Vertreter Frankreichs abwarten, das
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mit Spanien näher verwandt ist. Deshalb brächten die Spanier besser in
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dieser Materie nichts vor. Kurköln und W seien zu vertraulicher Zusam-
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menarbeit
bereit, wurden sich aber in diese differenz zwischen den beyden
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cronen nicht stecken, gestalt auch solches cum ratione vel ex debito vel con-
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suetudine nicht konne praetendirt werden. Zwarn were ihnen dieser vor-
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theyl , welchen sie gegen die Franzosen sucheten, wol zue gönnen, muste
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aber solches ohn verweiß und nachtheyl des tertii geschehen. Hierauf
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replicirte der graff von Naßaw, ad instantiam der herren Spanischen
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hetten sie nit underlaßen konnen, dieses vorzupringen, und were er noch
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der bestendigen mainung, daß ein solches sich begertermaßen wol wurde
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thun und verandtwortten laßen konnen, und daß die Franzosische keine
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ursach haben würden, wan der herr nuncius und sie Kayserliche mit der
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revisita so lang praeteriirt, sich deßwegen zu beschwern oder offendirt zu
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halten. Und wie man hierin auf die Franzosen ein solche reflexion machen
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thette, also muste man auch gedencken, daß wenigers nit von Spanien, wan
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hierinnen nicht willfahret, wurde empfunden werden. Und nachdemaln sel-

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bige cron bey dem reich biß dato so viel gethan, beyde Churfürstliche
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Durchlauchten auch zu Collen und Bayern sie vor Franckreich allezeit
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tractirt und gehalten, so hette deßhalber iezo auf die Franzosen nit zue
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sehen. Sie sowohl alß der nuncius apostolicus hetten diese condolenz gestert
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alberait verrichtet, die Franzosische auch ehest solches thun würden.

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Warauf ihme graffen der sachen disparitet abermal remonstrirt und da-
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bey geplieben, daß man bey demjenigen, welches in instructione, sich noht-
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wendig wurde halten mußen, und wurden die herren Spanische sich wol zu
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bedencken haben, ob ihnen dienlich, diesertwegen gegen die herren chur-
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fürsten umb dieses dergestalt und bei diesen coniuncturn sich zu resentiren,
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und deren gesandten die visita, biß sie erst bescheid von Spanischen hoff be-
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kommen , zu verwaigern; dan I. H. G. sich auch von Curcoln und dieselbe
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zweifelsohne bei den andern herrn curfursten gleichergestallt sich befragen
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und derweil mit allen complimenten inhallten muesten [...].

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Auf Wunsch Nassaus wiederholt Reck diese Argumente später vor
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Nassau/Volmar mit dem Zusatz, daß man sich a parte I. H. G. auf das,
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was von ihnen, den Kayserlichen, monirt, ob wolte mehr auf der Franzosen
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alß Spanier disgusto reflexion gemacht werden, nicht, sondern auf das
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herkommen fundiret. Im übrigen hat auf Klagen, daß am Wiener Hof
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Venedig und Florenz den Kurfürsten vorgezogen würden, Trauttmansdorff
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erklärt, man müsse Gäste mehr als Einheimische ehren; welches principium
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sich alhier alß gegen die, welche wieder Ihre Kayserliche Majestät die
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waffen fuhrten, selbige zu gewinnen, beßer appliciren und gebrauchen laße,
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weiln ohne das die Spanische wegen der Niderlendischen provincien und
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sonsten vom reich sein wollen. Außerdem hat W den Franzosen schon
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versprochen, sie ehestens zu besuchen. Auff welches die Kayserlichen
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nachmals replicirt, diß sey eine ganz extraordinari werck, und konte
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in hoc conventu ietzt bey diesem casu etwas eingefuhrt werden, darnach
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man sich kunfftig hette zu reguliren. Darauf I. H. G. beandworten las-
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sen , wan man ein nuewes caeremonial allhie machen wolle, muesten alle
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interessenten darzu geruffen werden und darein consentieren. Wobey der
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Vollmari, daß Spanien des vorgehens in possessione im reich were, von
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Kayserlicher Majestät sie auch befelcht, demselben hierinnen zu assisti-
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ren . Als die Ksl. sehen, daß entgegen ihren Argumenten auf der
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Instruktion bestanden wird, schlagen sie vor, daß W die Spanier nicht per
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modum visitae, sondern condolentiae zuerst besucht, die Spanier dann zur
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Danksagung zu W, darauf nochmals zum ersten Besuch kommen und dann
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W den Gegenbesuch macht. Reck will dazu keine Erklärung geben, sondern
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an W berichten.

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