Acta Pacis Westphalicae III C 3,1 : Diarium Wartenberg, 1. Teil: 1644-1646 / Joachim Foerster
1644 XI 27

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1644 XI 27
Sonntag Chigi

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Fabio Chigi (1599–1667), Bf. von Nardò, Nuntius in Köln 1639–1651, Bf. von Imola
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und Kardinal 1652, seit 1655 Papst Alexander VII. Außerordentlicher Nuntius für den
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Friedenskongreß seit Dezember 1643; als solcher in Münster seit März 1644. Vgl.
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K. Repgen , Instruktion S. 79ff.
bei W. Bericht über die bisherigen Präli-
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minarverhandlungen
. Noch neulich ist es über den Ausdruck delle due
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corone fast zum Bruch gekommen

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Vgl. APW III C 2,1 S. 211ff (1644 XI 8–21).
, weil ihn Servien wegen seiner Miß-
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helligkeiten
mit d’Avaux

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Claude des Mesmes (1595–1650), comte d’Avaux; Abel Servien (1593–1659), comte
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de la Roche des Aubiers; als französische Gesandte in Münster seit 1644 III 17 bzw. IV 5.
nicht zulassen wollte. Schließlich haben Chigi
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und Contarini

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Alvise Contarini (1597–1653), Gesandter der Republik Venedig und Friedensvermittler;
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in Münster seit 1643 XI 16.
erreicht, daß die Franzosen ihn annehmen und 1644 XII 4
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ihre Proposition ausliefern wollen. Spanier

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Diego de Saavedra y Fajardo (1584–1648), in Münster seit 1643 X 6; Dr. Antoine
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Brun (1599–1654), in Münster seit 1643 X 26.
und Ksl.

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Johann Ludwig Gf. von Nassau-Hadamar (1590–1653), ksl. Geheimer Rat, Reichshof-
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rat , in Münster seit 1643 VII 30; Dr. Isaak Volmar (1582–1662), ksl. Geheimer Rat
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1649, Reichshofrat, vorderösterreichischer Kammerpräsident, in Münster seit 1643 IX 8.
mit dem Modus ein-
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verstanden
, nur will Nassau vorher mit Volmar und W reden. Der neue
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Papst

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Innozenz X. (Giambattista Pamfili 1574–1655), gewählt 1644 IX 15. Vgl. L. V.
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Pastor XIV 1 S. 22ff.
hat keine neue Instruktion geschickt, doch mahnt Panciroli

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Giovanni Giacomo Panciroli (gest. 1651), Kardinal 1643, Staatssekretär 1644. Vgl.
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L. V. Pastor XIV 1 S. 30ff.
ständig,
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auf den Beginn der eigentlichen Verhandlungen zu drängen. Mit Zustim-
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mung
Ws hält Chigi für besser, nicht totam massam von allen bevorschwe-
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benden irrungen auf einmal vor sich zu nehmen. W: Daß mit den Teut-
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schen sachen der anfang billig zue machen were, weilen darinnen der krieg
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zum lengsten gewehret, so viel geistliche vertrieben, stiffter, closter und
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kirchen verwüstet und in der uncatholischen handen gerahten, die jugend in
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der kezerey erzogen und die catholische religion undertruckt werde, der-
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gleichen weder in Portugall, Cathalonien, Italien, noch auch den Nieder-
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landen zwischen Spanien und Frankreich geschehe. Welches dem nun-
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cio apostolico gar wol eingangen; und hierbey bedeuttet, daß er mit den
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Franzosen starck in contrasto geweßen, daß man alle sachen separatim
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puncten vor puncten ahn die hand nehmen, und was darin geschlossen,
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alsobald allerseiz underschreiben und bekrefftigen möge, weilen er nuncius

[p. 2] [scan. 52]


1
in den sorgen begriffen, daß sonsten, wan man den generalfriedenschluß
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hernechst aufsezen solt, newe difficulteten und andere mainung sich herfor-
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thuen und also das ganze werck de novo disputirt werden dörfft, so zwar
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von den Kayserlich und Spanischen angenommen, die Franzosische aber
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hetten sich noch biß dato darüber nit erklehren wollen. [...] Alß von
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I. H. G. eines armistitii

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Zu den von Bayern und Köln seit Herbst 1644 betriebenen Bemühungen um einen allge-
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meinen Waffenstillstand vgl. J. Foerster S. 272ff.
anregung gethan, hat der herr nuncius sich ver-
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nehmen laßen, daß er absque eo gern das haubtwerck angreiffen wolt; es
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werde sich alles und wohin allerseitz intentiones gerichtet, kunfftigen son-
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tag zeigen, und darnach die resolution zu nehmen sein. [...].

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Reck

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Dietrich Adolf von der Reck(e) zu Kurl (1601–1661), Dompropst von Paderborn, Dom-
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herr in Münster, kurkölnischer Geheimer Rat, seit 1650 Bischof von Paderborn; als kur-
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kölnischer Sekundargesandter in Münster seit April 1644. Vgl. J. Foerster S. 9.
bei Saavedra. Die Spanier zur Übergabe der Proposition bereit, doch
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zu befürchten, daß die Franzosen mit dem ihrigen gegen die bestimbte zeit
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schwerlich fertig sein wurden, und wurde sich nun dießem negst ausweisen,
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ob den Franzosen die handlung ernst seye oder nit. Herr dhombpropst
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von der Reck meldete hierauf, daß in dem tractätl, critica monitio intitu-
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lirt

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Nicht zu ermitteln.
, zu finden, daß die Franzosen der mainung, mit Spanien allein leicht
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zum frieden zu gelangen, hiengegen sonsten sich vernehmen ließen, daß sie
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mit dem reich ohne Spanien bald pacisciren und verglichen sein wolten.

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Darauf er, daß sein konig

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Philipp IV. (1605–1665), Kg. von Spanien 1621.
nimmer gedencken würde, mit Franckreich
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imperio Romano secluso sich einzulaßen, sondern daßelbe vielmehrers in
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seinen vorigen stand befürdern und setzen zu helffen, verhoffe, es werde
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das reich und deßen eingesessene chur- und fürsten eines gleichmeßigen
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gesinnet sein, und unitis animis et viribus solche intention helffen promo-
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viren . Dabey herr dhombprobst gedacht, das beste mittel wurde sein,
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der andern seithen gute friedensgedancken zu machen, wan die gegen-
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theylige progressus ahm Rhein kondten gehindert werden. Warauff er
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Savedra, daß man dieses fur keine solche progressus zu achten, es hetten die
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Franzosen mehrern vortheyl nicht erlangt, dan nur allein, daß sie sich Phi-
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lipsburg bemächtiget

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Die 1615 erbaute speyerische Festung Philippsburg war durch Turenne 1644 IX 12
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erobert worden (vgl. F. W. Barthold II S. 495).
, hiengegen lieffen ihnen die sachen in Cathalonien

43
Zum spanisch-französischen Krieg in Katalonien vgl. J. H. Elliott .

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dergestalt zuwieder, daß sie gezwungen, das volck meistens dorthin zu fuh-
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ren , wadurch diesen orthen lufft wurde gemacht werden, alßdan coniunctio
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armorum Hispanicorum mit des reichs sehr viel gutes richten kondte.

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Warüber der herr dhombprobst des vorm jahr zu Paßaw vorgangenen
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vergleichs

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Passauer Konferenz zur Absprache des Feldzuges 1644 zwischen Ksl., Bayern und
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Spaniern im März 1644 (vgl. F. W. Barthold II S. 482).
, und was dabey verabschiedet, erwehnet, und wie demselben so

[p. 3] [scan. 53]


1
schlecht nachkommen, auch die sachen diese campagnia in Niederland nicht
2
zum besten abgeloffen. Welches lezter doch von ihme Savedra gering
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geachtet, mit vermelden, daß die Franzosen allda diesen sommer nichts dan
4
eine statt gewonnen, dagegen aber uber zehenthausend man verlohren
5
hetten, und seye solches daher kommen, daß sein konig die meiste forze
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gegen Cathalonia gewendet, auch der Don Jan de Austria

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Juan José de Austria (1629–1679), Sohn Philipps IV. von Spanien und der Maria
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Calderona, Statthalter der Niederlande 1656–1659.
nicht herauß-
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kommen , mit deme dan die sonst in beraitschafft gewesene rimesse gleich-
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falß außngeplieben, die nun in kurzem mit ihme de Austria folgen würde.
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Hierauff hat er eines armistitii dahin erwehnung gethan, daß, wie er ver-
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nehme , Churbayern

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Maximilian I. von Bayern (1573–1651), Hg. 1595/98, Kurfürst 1623.
darauf deuten solle, kondte es aber gar kein medium
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ad pacem promovendam erachten, sondern werde viel mehr zu großerer
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ruin im reich und andern incommodis und ungelegenheiten prompta occasio
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sein. Man habe offters verspuhrt, daß man in Bayern, gleich in prosperis
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gar zue groß, also, wan die sachen etwas wiedrig sich bezeigten, gar zu bald
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abiect und kleinmütthig wurde, und sey die gefahr der Kayserlichen haubt-
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armada ahn der Saal

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Die ksl. Hauptarmee unter Matthias Gf. von Callas (1584–1647; zu ihm ADB VIII
S. 320–331 ) war auf dem Rückmarsch von Schleswig-Holstein von den Schweden fast
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völlig aufgerieben worden.
weit großer bey Churbayern anpracht, alß sie in sich
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were. Auff welches der herr dhombprobst, daß er eigentlich nicht
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wisse, was es bey Churbayern des angeregten armistitii halber fur eine
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meinung hab, soviel aber wol, daß die herren churfursten des reichs das
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ihrige ferner gern beytragen und mit zuwircken wolten, daß das Romische
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reich in vorigem stand conservirt und ein allgemeiner fried erlangt werden
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möcht; des Gallasischen exercitus ubler zustandt were von Ihrer Kaiser-
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lichen Majestät

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Ferdinand III. (1608–1657), Kg. von Ungarn 1626, Kg. von Böhmen 1627, Römischer
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Kg. 1636, Kaiser 1637.
durch dero reichsvicecanßlers

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Ferdinand Sigmund Gf. Kurz von Senftenau (1592–1659), ksl. Geheimer Rat, Reichs-
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vizekanzler seit 1637.
aigne abordnung endekht
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worden. Der Savedra gedachte dießem nach, daß sie von den Franzoßi-
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schen consiliis diese nachricht hetten, daß weilen sie versphurten, daß ihnen
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so leicht nit sein würde, Spanien zu subiungiren, indeme die volcker nacher
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Cathalonien soviel meylen wegs zu pringen, sehr kospar, sie ihre meiste
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forze gegen das reich, des Rheinstrombs und Elsaß sich vollends zu impa-
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troniren , kunfftigen fruling emploiren und gebrauchen wurden, welches zu
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verhindern sein konig gleichfalß das eußerist vorkehren wurde; annecti-
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rende , es sey zu verwundern, daß den Hessen so lang platz und der vorthel
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in diesen landen in handen gelaßen werde. Welches lezter der herr
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dhombprobst darmit bescheiden, daß zwarn viel gute occasiones zu hinder-
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treibung der Hessischen progressen bevor gewesen, yedeßmal aber durch
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ab- und anderwertz hinfuhrung der volcker außm craiß behindert wor-

[p. 4] [scan. 54]


1
den

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Zur Rolle der westfälischen Kreisarmee 1644 vgl. J. Foerster S. 267f.
. Warauff er Savedra, daß dahero so viel mehr nottiger und zeitt
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sein wolle, dießen craiß zu armiren.

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