Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
Plenarsitzung der reichsständischen und der kaiserlichen Gesandten Münster 1645 September 25
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Münster 1645 September 25
Kurmainz Rk FrA Fasz. 12 = Druckvorlage. Vgl. ferner Kurköln zA I fol. 63’–70
( damit identisch Kurköln spA I fol. 117’–130, Kurköln spA Ia fol. 125–138 ); DVolmar
fol. 523’–525’ ( Druck Cortrejus p. 209–210, Auszug daraus bei Meiern I p. 670–672 ).
Zeremoniell im Verkehr zwischen kaiserlichen und reichsständischen Gesandten. Sessionsordnung.
Kurialien. Vortrag der kaiserlichen hauptproposition. Entgegennahme der Beglaubigungs-
schreiben der kaiserlichen Gesandten. Gegenseitige Bekundung des Friedenswillens und des Wunsches
nach Zusammenarbeit.
Im Bischofshof. Vertreten: Kurmainz, Kurköln, Kurbayern, Kurbrandenburg; Bamberg, Bayern
(Hg.), Brandenburg-Kulmbach, Burgund, Lüttich, Minden, Münster, Österreich, Osnabrück,
Paderborn, Prälaten, Regensburg, Tirol, Wetterauer Grafen, Württemberg, Verden; kaiserliche
Gesandte (Nassau, Volmar).
Die ksl. hauptproposition wird von Nassau und Volmar den nach beyliegender
lista verzaichneten
Die Anwesenheitsliste und der kurmainzische ansagzettul befinden sich nicht beim kurmainzi-
schen Protokoll, sondern bei den ksl. Akten in den Beilagen zum DVolmar ( RK FrA 92/VI a
fol. 155–156’), eine Abschrift der lista auch in RK FrA 94/I nr. 82 S. 305. Die Liste wurde
anhand der bis zu diesem Zeitpunkt dem kurmainzischen Direktorium vorliegenden Vollmachten
zusammengestellt ( MEA CorrA 9 Repertorium). Konstanz (wegen Unpäßlichkeit des Gesand-
ten ), Hildesheim, Berchtesgaden und Stablo erschienen trotz Ansage nicht. Interimsvollmachten
lagen für die ebenfalls am 25. September 1645 nicht anwesenden Stifte Fulda (Gäbel), Würzburg
und Weingarten (Köberlin) vor.
dergestalt eröffnet.
1 Erstlich] Davor in Kurköln zA I, spA I, Ia noch vermerkt, daß die Stände sich auf
Ansage des kurmainzischen Kanzlisten hin versammelt haben und auf kurmainzisches an-
fragen hin Kur- und Fürstenrat für guet angesehen, nomine der Wetterauischen graffen
den jungen herrn graffen von Nassau mit zu admittiren.
per deputatos ordinarios ex omnibus collegiis, damahls praesentibus, in
der Churmaintzischen gutschen durch
3–6 herrn – gesanden] In Kurköln zA I, spA I, Ia, DVolmar noch Georg Ulrich
Gf. von Wolkenstein
Siehe oben S. [ 126 Anm. 1 ] .
Lizentiat Ludwig Nikolaus Drachter war fl. münsterscher Rat und vertrat auch Baden-Baden
( Meiern II S. 824 f.); Kurbayern beorderte im Oktober 1645 einen eigenen bgl. bayerischen
Gesandten an den Kongreß: Johann Ernst (1604–1667), 1635 Hofrat, 1649 Revisionsrat, 1651
Hofkanzler, 1663 kurbayerischer Geheimer Rat und Gesandter auf dem Immerwährenden
Reichstag (über ihn Fürnrohr S. 31–33). Siehe auch oben S. [ 75 Anm. 3 ] .
(Wetterauer Grafen) und Cornelius Gobelius (Prälaten) genannt.
herrn von Haßlang, churfürstliche Maintz- undt Bayerische, wie nit weniger
die ertzfürstlich Österreich-, fürstlich Bayerische, praelaten undt gräffliche
gesanden eingeholt worden. Undt seindt 1º die Kayserliche, chur- undt fürst-
liche officier undt aufwartere vorherogangen, denen 2º die Churmaintzi-
sche , 3º die fürstliche deputirten undt dann 4º undt endtlich die Kayserliche
lehre gutschen gevolget.
Im ansteigen von den gutschen undt eingang seindt wiederumb die officieri
vornen ausßen, dann die herrn Kayserliche commissarii, fölglich die herrn
chur- und fürstliche nachgangen. Alß diese nun die stiegen hienaufkommen,
haben die zurückgepliebene chur- undt fürstliche ahn der thür des zimmers
(weilen es situs loci anderst nicht geben, sondern solches zimmer hart ahn
der stiegen angestosßen) die Kayserlichen herrn commissarii empfangen
und bis ahn ihren orth begleitet, welcher auf folgende maß neben sonst
übrigen sessionibus also zubereitet gewesen,
lichen commissariis auf einem drey drappen hoch erhöheten gerüst, ohne
baldeckin oder himmell, rothsammate sesßel mit underlegten rothen ruch
gestelt, denn churfürstlichen gesanden aber eine staffel niederiger alß denn
herrn Kayserlichen, wie nit weniger denn herrn fürstlichen, yedoch auch
eine staffell niederiger alß denn herrn churfürstlichen, bäncke gestelt
und allein denn herrn churfürstlichen polster underlegt, auch vor Churtrier,
wie gebräuchlich, e regione der herrn Kayserlichen commissarien, aber
yedoch nur in der höhe alß ubrigen churfürstlichen, ein stuel mit rothem
tuch, gleichwie all andere bäncke behengt gewesen, bekleidet undt gestellet
worden. Undt hatt man diese ordnung gehalten, daß nehmblichen in
dextro Caesareanorum latere Churmaintz und -bayern, in sinistro aber
-cölln undt -brandenburg, wiederumb auf der rechten die längde des
zimmers durch der geistlichen, dann auf der lincken seiten der weltlichen
fürsten herrn gesanden auf diese maß undt formb, wie beyliegende delinea-
tion mit mehrerm ausweiset , ihre sessiones eingenohmmen.
2º ist gleichsamb in medio, yedoch mehr auf der lincken seiten hinder
yetztgemeltem Churtrierischen stuel ein tisch für daß Churmaintzische
directorium, woran Ihrer Churfürstlichen Gnaden zu Maintz rath herr
Dr. Krebs, welcher in nahmen der stende die dancksagung gethan, neben
demyenigen, so von wegen yetzthöchstgedachter Seiner Churfürstlichen
Gnaden daß protocoll gehalten
rechten seiten, ungevehr ein grosen schritt hinder des Churmaintzischen
directorii tisch, seind drey bäncke, alle auch mit rothem tuch bekleitet,
alß erstlich eine für die herrn churfürstliche, welche ledig stehen plieben,
dann eine für der herrn fürstlichen secundarios, worauf der Österreichische
adiunctus allein gesesßen, undt endtlichen eine für der herrn churfürstlichen
secretarien undt protocollisten gestelt worden. Undt obwohlen für der
reichsstätt deputatos, wie vor diesem, undt zwar noch bey letzterem Re-
genspurgischen reichstag anno 1641 gehalten worden, auch diesmahl
bäncke gestelt werden sollen, aldieweilen aber von dennselben derzeit nie-
mandts hier sich eingefunden und daß zimmer ohnedaß etwas zu eng undt
versperret gewesen, so ist es für diesmahl, salvo tarnen illorum iure, ver-
mitten plieben undt für sie keine bäncke gestelt worden.
Negst diesem undt nach allerseits eingenohmmenen sessionen thate in
nahmen Ihrer Kayserlichen Mayestät herr Volmar die Kayserliche propo-
sition auf maaß undt weis,
sitzendt, aber mit entblöestem haupt, cuius exemplo caeteri omnes secuti
sunt, eröffnen undt nachgehendts neben denen Kayserlichen responsionibus
ad exterarum coronarum propositiones selbige una cum credentialibus dem
Churmaintzischen directorio in schrifften überraichen, welches gleich
nach überräichung undt (gleichwohlen aber in selbigem zimmer) genohm-
menen abtritt die credentiales verglichenermasßen erbrochen undt vorge-
zaigt .
Worauf man sich sowohl im chur- alß fürstenrath einer gewisßen antwort
undt respective dancksagung verglichen, welche nachgehendts durch
höchstermelter Ihrer Churfürstlicher Gnaden zu Maintz mittabgesanden
herrn Dr. Krebsen in nahmen sambtlicher chur-, fürsten undt stende auf
folgende maß abgelegt undt gethan worden.
Herr Dr. Krebs praemissis curialibus:
der Römisch Kayserlichen Mayestät, Unsers Allergnädigsten Herrn, auf die
ohnlängst in festo Sanctae Trinitatis ahn seiten der frembden cronen
Franckreich undt Schweden eingeraichte friedenspropositiones Aller-
höchstgedachter Ihrer Kayserlichen Mayestät hochansehentliche fürtreffliche
herrn commissarii der höchst-, hoch- undt wohllöblichen herrn chur-,
fürsten undt stende alhier versambleten abgesanden fürtragen undt hinder-
pringen wollen, solches hetten dieselbe mit geziemender ehrerpietung der
längde nach angehört, wohl eingenohmmen undt dabey verstanden, wel-
chergestalt nehmblichen yetzt Allerhöchstgedachte Kayserliche Mayestät
ein mehrers undt höhers nicht desiderirten, alß daß gesambte des heyligen
Römischen reichs getrewe chur-, fürsten undt stende durch dero gesanden
Seiner Mayestät plenipotentiariis dergestalt mit getrewem rath undt gueten
consiliis der gepühr ahn handt gehen lasßen wolten, wie es die hohe notturfft
und des heyligen Römischen reichs betawerliche übele zustand erfordern
thete.
Wegen der Differenzen um den modus consultandi und des damit verbundenen
Zeitverlusts ist der Kaiser bewogen worden, vorermelter auswertiger cronen
propositiones vorbereitlich dero hohen Kayserlichen ampts halben zu
durchsehen, darauf einige responsiones zu papir bringen zu lasßen undt
durch dero Kayserliche commissarios denn chur-, fürsten undt stenden
zu dem endt zu communiciren, damit die consultationes demnegst besßer
incaminirt undt angefangen, auch zu verhoffendem erwünschten endt für-
derlich gebracht werden könten.
Der chur-, fürsten undt stende räth, pottschafften undt gesanden danken
dem Kaiser für bezaigung dero höchstrühmblichsten fridensbegierde in ihrem
Namen und dem ihrer Kommittenten und wollen diesen über die ksl. Proposition
Bericht erstatten, nit zweiflendt, ihre principales werden sich nit allein höch-
stens erfrewen, daß es dermahlen dahien gelangt, daß allerseits propositiones
und respective responsiones auß- undt eingehendigt worden, sondern auch
die hohe Kayserliche sorgfalt zu sonderbahrem trost undt erquickung
begierlich annehmen.
Undt hetten im übrigen chur-, fürsten undt stende sie dero alhier versamblete
räth undt gesanden zu einigem andern intent nit abgeordnet, alß das mit
einmüetigem gueten rath undt getrewen uffrichtigen consiliis denen hoch-
ansehentlichen Kayserlichen herrn commissariis dergestalt guetwillig an
handt gehen undt alles mit beytragen helffen solten, was zu conservation
dero Kayserlichen hochheit, auctoritet undt respect, auch wiederpringung
fried undt ruhe im heyligen Römischen reich geraichen, auch immer dien-,
nutz- undt ersprieslich erfunden werden mögte, inmasßen dan sie chur- undt
fürstliche auch anderer stende gesanden nit allein genaigt, solchen gnädigst-
undt gnädigen bevelchen trew, eyfferigst undt gehorsambst nachzusetzen
undt vor allen dingen der auswertigen cronen sowohl unlängst extradirte
alß yetzo durch die herrn Kayserliche eröffnete friedenspropositiones undt
zugleich mit überantwortete responsiones […] dennegsten in berath-
schlagung zu pringen, sondern auch darauf
sten guetachten ihro dergestalt an handen zu gehen, damit nach soviel
verflosßener zeit zu deme höchstverlangten friedenszweck man dermahlen-
einist würcklichen gelangen möge.
Sonsten hette man auch wahrgenohmmen, welchergestalt Ihre Kayserliche
Mayestät sehr ungern die Verzögerung der reichs- undt friedensconsultationes
durch den ungeklärten Beratungsmodus vernohmmen. Die anwesenden reichsständi-
schen Gesandten haben den verzueg selbsten hoch betawert; gleichwie man
aber verhoffen wolte, es werden nunmehr ermelte difficultates leichtlich
superirt und ohne einig fernere zeitverlieherung zu den consultationibus
geschritten werden können, also seye hierzu der allmächtige güetige Gott
von hertzen inniglich zu pitten, daß Seine Allmacht nit allein yetztgedachte
reichsconsultationes dergestalt miltvätterlich secundiren undt seegnen
wolle, damit offthöchstgedachter Ihrer Kayserlichen Mayestät zu unsterb-
licher glori, auctoritet undt respect, sondern auch zu restabilirung des alten
Teutschen vertrawens undt wiederpringung der yederzeit bey den löblichen
vorfahren wohlerhaltenen harmonia zwischen dem höchstgeehrten ober-
haupt und gleidern, auch diesen under sich selbsten, ermelte reichscon-
sultationes gedeylich undt fürderlich ausschlagen, vor allen dingen aber
der von so viel millionen seelen höchstverlangende edle werthe frieden
wieder erworben undt schleunig erhalten werden möge.
Undt thäten im übrigen der chur- undt fürstlichen gesanden, auch übriger
stende pottschaften Allerhöchstgedachter Kayserlicher Mayestät zu conti-
nuirenden Kayserlichen hulden und gnaden sich allerunderthenigst, den
herrn Kayserlichen commissarien aber zu beharrlicher affection […] undt
gnädiger gewogenheit bestes vleisßes bevehlen.
Herr
gestalt chur-, fürsten undt stende des reichs diese ihre ansehentliche gevol-
mächtigte räth, pottschafften und gesanden mit dieser instruction abge-
ordnet , ihnen Kayserlichen plenipotentiariis mit rath und thad beyzustehen
und an hande zu gehen, deme sie auch gepürende volge zu laisten undt
solchen getrewlich undt unaußgesetzt zu inhaeriren und nachzugeleben
gedächten, auch dergestalt die deliberationes vor- undt an hande zu nehm-
men , damit darin schleunig verfahren, ein gewisßes conclusum verfast
undt endtlich solches vermittels einmüetig abgefasten reichsbedenckens
Ihrer Kayserlichen Mayestät hinderpracht werden
wunsch nach Gottes seegen.
Danken gepürendt und bieten an, Ihrer Kayserlichen Mayestät hiervon aufs
allerbäldiste allergehorsambste relation zu thun, welche sonder allen zweif-
fell fürsten undt stende, auch deren abgesanden erpieten mit Kayserlichen
hulden und gnaden vermercken werden, nit zweiflendt, chur-, fürsten und
stende abgesanden ahn ihrem vornehmen orth alle befürderung dergestalt
zu thun […] ihnen angelegen sein lasßen werden, gestalten deß […] reichs
ubeler zustandt und die hohe notturft es ohnedaß ahn sich selbsten erfor-
dern thete; ihrestheils wolten zumahl nicht underlasßen,
werck immer dien-, nutz- undt fürstendig erscheinen mögte.
Hierauf die herrn Kayserliche commissarii ihren abschied genohmmen undt
in vorgemelter ordnung wieder nach hauß begleitet
22 worden] DVolmar vermerkt zum Gesamtablauf noch: Nachdem Kurmainz es versäumt
hatte, einen Türhüter zu bestellen, ist der Saal bis zu den Schranken von Dienern, Aufwärtern
und anderm unbekannten gesindt besetzt worden, unter dem sich auch ein französischer Sekre-
tär befunden haben soll. Dem Reichsdirektorium ist ein Verweis erteilt worden.