Acta Pacis Westphalicae III C 3,2 : Diarium Wartenberg, 2. Teil: 1647 - 1648 / Joachim Foerster
1647 III 20

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1647 III 20
Mittwoch D’Avaux/La Court bei W. Nach neuen
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Berichten will Longueville die spanischen Verhandlungen abbrechen; er
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will nicht allein bleiben, nachdem Pauw sich verabschiedet hat, und fühlt
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sich von den Spaniern nicht genügend respektiert. Bei weiterem Verzug der
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Spanier will er nach Frankreich zurück, so daß man dann auf einen neuen
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Legationschef warten muß. W möge Trauttmansdorff bitten, sich persön-

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lich
zu interponieren. Die Spanier wollen die Osnabrücker Verhandlungen
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abwarten; wie das aber den catholischen in Deutschland nit dienlich, also
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würde sich Spanien bey dem letztern auch betrogen finden, daß es den
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Schluß haben könne, wann es wolle. W: Will mit Trauttmansdorff
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reden, bittet um Mitteilung der Differenzpunkte. D’Avaux: Stillstand
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in Katalonien und Portugal, Casale, die Plätze in Toskana. [...] Auf Nach-
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fragen
wegen der Ulmer Verhandlungen: Bisher noch nichts geschlossen,
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Wrangel ist auch ohne ausdrücklichen Befehl dem Stillstand geneigt, doch
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halten verschiedene deutsche Fürsten eifrig um eine weitere Kampagne
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an. Beim Abschied La Court zu Reck: In Ulm widersetzen sich die
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Hessen dem Stillstand. [...] – Rückkehr Ws nach Eversburg.

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W bei Trauttmansdorff. Gespräch mit d’Avaux. Trauttmansdorff: Ist zur
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Reise nach Münster bereit, falls ihm etwas vorkäme, darinnen er etwas
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sicherem vermuhten nach verrichten köntte. [...] Dem itzo ihme vorkom-
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menden und befindlichen statu nach sähe er nichts außzurichten, und hette
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er dem Pineranda die ehr bey den tracaten nicht zu nehmmen. Da die
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Staaten nach neuen Nachrichten bei ihrem Frieden bleiben und bis zur
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Publikation den Franzosen vielleicht einen Termin gesetzt haben, wollen
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diese auf die genannte Weise vielleicht letzte Anstrengungen zur Durch-
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setzung
ihrer Forderungen machen. Wegen Catalonien weren nur gesuchte
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sachen, dan der haubtpunct ratione armistitii insoweith verglichen. Wegen
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Cassal were es auch verabscheidet, wan nur die Franzosische keine newe-
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rung dabey einführten. Wegen Piombino und Porto Longone scheinete, daß
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die Franzosische allerhand artificia brauchten, dan der d’Avaux ihme auch
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seine abrayß hette laßen courtoisement notificiren und dabey andeuten,
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daß die Spanischen, da sie seiner wißenschafft nach befelch hetten, beede
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ortter Franckreich zu laßen, nur deren einen angebotten. Darauff er
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notando artificium geandtworttet, ihme were zumahln nit wißend, daß die
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Spanier einen platz angebotten oder auch etwas anzubieten befellich und
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macht haben soltten. Wegen Portugall variirten sie Franzosische ratione
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armistitii et termini auch öffters, daß man sich also woll nicht in der Fran-
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zosischen händell schicken köntte. Er hette bißhero noch alle wochen 2
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mahl geschrieben und bey den Spanischen alle guette officia eingewendet,
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dabey woltte er continuiren und itzo extraordinarie schreiben. Waß der
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comte d’Avaux mitt den Schwedischen vor discursus geführt, dabey
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vermercktte er guete erinnerung geschehen zu sein, und dienete ihme solches
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alles zue seiner nachricht, wie er es dan auch in gehaimb haltten woltte.
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Sonsten were er der mainung, es würden die Schweden ihre petition mitt
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dem land ob der Ens ihme nit einmahl proponiren, weyln er es ihnen so offt
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abgeschlagen und vor die Heydelbergische ex mediis imperii 400 000
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reichsthaler nebenst dem restirenden pfandschilling auff die Bergstraß,
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welchen Churmainz absonderlich zu erlagen, anerbotten. Er hat gestern
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allen anwesenden Protestanten zugeredet, nicht durch Bedingungen, die sie
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selbst nicht eingehen würden, die Katholiken zur Fortsetzung des für alle

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verderblichen Krieges zu treiben. Soviell er vermerckt und nachgehends ge-
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hört , hetten sie die beschehene erinnerung woll apprehendirt, und were der
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Churbrandenburgische Wesenbeccius in starcke wortt deßwegen gerahten
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und sustinirt, man köntte und soltte eben wegen der Lünneburgischen und
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Braunschweigischen begeren den friedensschluß lenger nit auffhaltten.
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Wegen I. H. G. stiffter woltte er Oßnabruck in keine disputation ziehen
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und wegen Minden weiters nicht alß alternativam nachgeben. Und hette
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Franckreich seine feindliche wapffen zuruckgezogen, so hette man die
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alternativ auch nicht anerbieten dörffen. Die Gerüchte, daß er dem Kaiser
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gegenüber Minden als verloren bezeichnet und Bayern seine Gesandten an-
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gewiesen
habe, sich für die Stifter nicht so stark einzusetzen, sind falsch.
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Der gegentheill suchte nur auff allerhand weiße ein und anderen irrig zu
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machen und den vorthell darauß zu ziehen. W: Begrüßt die Erinnerung
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an die Protestanten. Nach dem gestrigen Schreiben an ihn hat Kurbayern
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weitere Bemühungen zur Rettung der Stifter befohlen. Trauttmans-
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dorff
: Er hette ihme hierüber auch keine andere gedancken machen
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können, und weren des gegentheils practiquen gnugsamb bekand. Die
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Schwedische hetten ihme in der chursach wißen laßen, warumb das hauß
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Österreich also pro Bavaro stunde. Sie soltten solches hauß nit größer noch
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mechtiger machen, weiln sie ein gar zue prudenten aemulum bekommen
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möchten. Er hette ihnnen darauff geandtworttet, beede löbliche häußer
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Österreich und Bayern weren in guetter verstendnuß mitteinander und so
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nahe einander alliirt, daß keine nähere freundschafft sein köntte. Dieselbe
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würden sie underhaltten und nicht eben ad tempora Ludovici et Friderici
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imperatorum

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Gemeint der aus der Doppelwahl 1314 X 19/20 entstandene Krieg zwischen Kaiser
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Ludwig IV. von Bayern und König Friedrich (III.) von Österreich (1286–1330), der
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durch die Schlacht von Mühldorf 1322 IX 28 zugunsten Bayerns entschieden wurde.
sich reflectiren, sondern in ihrer guetten verstendnuß bleiben.
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Die praetendenten auff die stiffter vermehrten sich fast täglich, wie dan
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Braunschweig, Mecklenburg, Hessen Cassel, auch der administrator von
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Brehmen itzo satisfaction begerte

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Zur Entschädigung Mecklenburgs für die Abtretung Wismars an Schweden vgl. J. G.
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Meiern VI S. 521 ff. Zu den 1647 III 8 in Osnabrück angemeldeten Entschädigungs-
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forderungen des Administrators Friedrich von Bremen (Hildesheim, Osnabrück,
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Minden) vgl. G. Lorenz S. 165ff.
. Das thumbcapitul zue Halberstatt hette
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itzo hertzog Augusti zue Wölffenbüttel söhne einen zum coadiutore daselb-
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sten erwählet

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Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel (1633–1714); vgl. J. G. Meiern VI
S. 402ff.
, und woltten also ihrestheilß gern die sachen noch schwerer
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machen. I. H. G.: Man müßte die unbilliche praetensiones verwerf-
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fen . Herr graff von Trautmansdorff: Der meinung were er auch, wan
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man nur mitt den Caßelischen, denen die Franzosische also starck beistun-
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den , fortkommen köntte. W: Bericht über sein Gespräch mit Conta-
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rini
. Trauttmansdorff: Er hette dergleichen bey ihme auch woll ver-

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meldet , und hetten die Schwedische vor wenig tagen wegen der militiae
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satisfaction bey ihme anregung thuen laßen, denen er zur andtwortt geben,
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wie daß die in garnisoun liggende soldatesque gnugsamb zahlet. Die im feld
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stehende hetten alles außgeraubt und geplündert und die obige craiß also
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zugerichtet, daß darinnen nichts mehr fürhanden. Er wüßte ihnnen nichts
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anderst alß den Ober- und Niedersächsischen anzuweisen. Anbelangend des
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Veneti vorschlag zum Türckenkrieg, so redete er darin alß ein Venetus, es
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were aber a parte Caesaris et imperii darin ein mehrers zue consideriren,
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und waß versprochen, zu haltten. I. H. G.: Sie hetten dem Veneto auch
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allerhand rationes dagegen movirt, weyln er gleichwoll begert, meldung zu
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thuen, so hetten sie solches verrichten wollen. Darauff fragend, wie es doch
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mitt den tractaten zue Ulm stunde? Herr graff von Trautmansdorff:
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Die letztere schreiben gebtten noch zum armistitio keine hoffnung, er
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erwarttete aber ahm sambstag schreiben, darauß weiters zu vernehmmen
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sein würde, waß seithero vorgangen. I. H. G.: Sie hetten nachrichtung,
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daß die Hessen Casselische dem armistitio zuwieder und eben des Königs-
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marcks expedition gegen dieße quartier verursachten. Welches der herr
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graff woll glaublich zue sein asseverirt. – Schreiben Chigis

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Anlage (Chigi an W 1647 III 19): fehlt.
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