Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
19. Sitzung des Kurfürstenrats Münster 1646 Februar 12

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19. Sitzung des Kurfürstenrats


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Münster 1646 Februar 12

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Kurmainz Rk FrA Fasz. 9 II nr. 8/9 = Druckvorlage. Vgl. ferner Kurtrier zA ( damit
5
identisch Kurtrier spA p. 264–272 ); Kurköln zA I fol. 165–170’ ( damit identisch Kur-
6
köln
spA I fol. 358’–369’, Kurköln spA Ib fol. 372’–385’, Kurköln zA Extrakt fol.
7
15’ ); Kurbayern K II fol. 95’–117’ ( damit identisch Kurbayern spA II p. 199–226 ).

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Ist die Regensburger Amnestie von 1641 noch zeitgemäß? Einzelfragen einer Amnestie: Restitu-
9
tion der Krone Böhmen, des Herzogtums Jägerndorf, der Kurpfalz, des Herzogtums Württemberg,
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der Markgrafschaft Baden-Durlach, der Grafschaft Nassau-Saarbrücken, der Stadt Augsburg.
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Frühere Verhandlungen über die Amnestie. Kriegsschuldfrage. Autonomie der Reichsstände in
12
Entscheidung der Reichssachen.

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[Im Kurfürstenratszimmer des Bischofshofs]. Vertreten: Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Kur-
14
bayern , Kurbrandenburg.

15
Kurmainz . Erfordert daß iüngst suspendirte Churbrandenburgische votum.

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34
462, 16 –466, 20 Kurbrandenburg – auszulaßen] In Kurbayern K II ist das kurbranden-
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burgische Votum zweimal erhalten, einmal als zeitgenössische Abschrift des offenbar von
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Kurbrandenburg schriftlich aufgesetzten und Kurbayern übermittelten Votums; dieser Fassung,
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nicht der original kurbayerischen Mitschrift, folgt Kurbayern spA II.
Kurbrandenburg . Kommen noch einmal auf ihren Einwand von vorgestern
17
zurück, daß dem concluso zuvolg von anfang der cronen propositionen und
18
replicen die consultationes hetten angefangen und die proemia repetirt
19
werden sollen, wie es ihrer Unterrichtung nach auch in Osnabrück geschieht. Damit
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es aber nit daß ansehen habe, alß wann sie deßwegen in puncto amnistiae
21
ihr votum zurückzuhalten gedächten, alß wolten sich darüber anietzo
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erclären, gleichwohl dergestalt, daß demnechsten auch die proemia zur
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hand genohmmen, berathschlagt und erörtert werden mögen, welches sie
24
sich dann neben andern iüngst angeführten conditionen hiemit reservirt
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haben wolten; und zwar anfangs befinden kein beßer mittel und expedition,
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nach so langeführten krieg im heyligen Römischen reich, alles wider in
27
vorigen stand zu setzen und den innerlichen frieden zu restauriren alß eine
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durchgehende abolitio et oblivio omnium praeteritorum, weil der eußerlich
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und innerliche krieg also aneinander hange, daß keines vor verglichen gehal-
30
ten werden kann, es seye dann beyder sachen abgeholffen. Die eußerliche
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ursach auch also ahn der innerlichen hange und davon herfließe, daß eine
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nit uffgehoben werden könne, es seye dann dieße weggeraumbt, maßen die
33

38
33 Schweden] Statt dessen in Kurköln zA I, spA I, Ib coronen.

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Von hier bis Ende des kurbrandenburgischen Votums zwischen Kurbayern spA II, dem
40
das kurbrandenburgische Protokoll zugrundeliegt, und der Vorlage viele übereinstimmende
41
Formulierungen.
Schweden auch solches in ihrer proposition angehenckt, weiln selbiges in

[p. 463] [scan. 587]


1
der Kayßerlichen resolution vorbeygangen worden, auß den ursachen, daß
2
die brunquell der innerlichen unrhue, alß daß schädliche mißträwen zwi-
3
schen haubt und gliedern und dießen under sich, darauß der krieg entstan-
4
den , auß dem grund zu schöpfen und nit allein mit den außwertigen cronen
5
fried zu machen, sondern auch die wurtzel alles mißträwens außzurotten,
6
gestalt sonsten es anderst nit sein werde, alß daß man von außen daß fewer
7
leschen, inwendig aber die gluet brennen oder under der aschen ein zunner
8
laßen werde, welcher hernacher durch ein geringen wind wird angeblaßen
9
und in ein newe fewerbrunst, welcher daß reich in die 27 jahr verzehrt, auß-
10
schlagen könde, wavon sie weitere anregung zu thun unnöthig erachteten,
11
weiln die erfahrung bezeuge, daß, wann die innerliche ursachen des kriegs
12
von den außwertigen separirt, alles vergeblich und umbsonst geweßen

42
Vgl. die bekannte Erörterung über die Folgewirkung der inneren Staatsform auf den Frieden der
43
Staaten untereinander bei Kant S. 112ff., 118.
. Sie
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müsten ihrestheils dabey bestehen, daß die Frantzösische obgedachte ur-
14
sachen in ihrer proposition zusammensetzen und Kayßerlicher Mayestät
15
resolution dennen nit zuwider, auch bey iüngstem Regenspurgischen
16
reichstag von allen ständen ohn underschied der religion, daß die general-
17
amnistia daß rechte und zum frieden zulengliche mittel seye, bestendig
18
davorgehalten und von Ihrer Kayßerlichen Mayestät adprobirt worden,
19
auch noch von den vorstimmenden dabey bestanden werde.

20
Ob nun aber die amnistia, welche zu Regenspurg publicirt worden, dieie-
21
nige seye, dabey zu beharren, oder ein andere, welche universalis et illi-
22
mitata absque ulla exceptione

40
22 personarum] Zusätzlich in Kurbayern spA II sowie in Kurköln zA I, spA I, Ib:
41
rerum et bonorum.
personarum, wie die cronen solches begehren,
23
zu machen, werde sich ahm besten befinden, wann der sachen in etwas
24
nachgesehen werde. Es wolte zwar die Regenspurgische amnisti vor
25
universal gehalten werden, es wehre aber solche mit limitationen, excep-
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tionen und conditionen also eingeschloßen, daß sie nur den bloßen nahmen
27
habe, also die restrictiones abgeschnitten oder dieselbe den nahmen gentz-
28
lich verliehren müste, inmaßen daß wortt amnistiae ahn sich selbsten
29
nachführe, daß alles, nit aber eines vergeßen, daß ander behalten werden
30
solle, sonsten es den nahmen einer dividirten amnisti haben würde, welchen-
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fals bey den excipirenden die feindsehligkeid verpleiben und nit uffgehoben
32
werde. Es wehre auch dardurch der zweck der amnisti nit erreicht worden,
33
alß welcher dahin geziehlet, daß die ständ von den cronen abtretten und
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wider zu Ihrer Kayßerlichen Mayestät sich schlagen solten, maßen die
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erfahrung bezeuget; darauß zu schließen, daß sie dem frieden kein genügen
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geben habe noch geben könne. Sie befinden auch, daß die amnistia uf ein
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impossibilität gerichtet, indeme den ständen ufferlegt worden, andere, zu
38
Kayßerlicher Mayestät zu tretten, zu vermögen, welches aber in der resti-
39
tuirten ständ noch andern mächten nit gestanden. Sie considerirten auch,

[p. 464] [scan. 588]


1
daß die amnisti ohne effect geweßen, propter effectum suspensivum, wel-
2
cher , ob er wohl durch Kayßerlicher Mayestät erclärung und edict auff-
3
gehoben worden, derentwegen Ihr Gnedigster Herr von Chursachßen ein
4
exemplar empfangen und Ihrer Kayßerlichen Mayestät zu underthänigsten
5
ehren affigiren laßen, so hetten sie doch darin so viele limitationes und
6
restrictiones befunden, daß sie leicht urtheilen könden, daß die ständ,
7
welchen ahn der amnisti mehr alß Seiner Churfürstlichen Durchlaucht
8
gelegen, damit nit zufrieden sein, sondern dagegen allerhand reden und
9
motiven einwenden werden. Es seye auch allen zu Regenspurg geweßenen
10
ständen wißend, daß gesambte evangelische ständ eine general unlimitirte
11
amnistia vorgeschlagen, deren limitationes und effectus allein im chur-
12
fürstenrath vorkommen, welche sie nit approbirt; so wehre dieße amnistia
13
auf den Prager frieden fundirt, welchen die ständ pro norma tractatuum
14
nit gehalten, inmaßen Ihr Gnedigster Herr uff dem reichstag solches
15
selbsten erinnern und solche tractaten dahin stellen laßen, welche allein
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provisionalis uff 40 jahr, davon albereit etliche verfloßen, angesehen. Dem-
17
nach aber die protestirende durch die maiora,

35
17 welches – sollen] Zusätzlich in Kurköln zA I, spA I, Ib: nach Meinung Kurbran-
36
denburgs
.
welches nit geschehen sollen,
18
uberstimmet worden, wehren dieselbe anderer meinung gewesen und
19
nechst remonstration, daß solche amnistia dem frieden nit zuträglich, es
20
dahingestelt sein laßen müßen. Pleiben auch noch der bestendigen meinung,
21
weiln sie befinden, daß die cronen, ob sie schon von der Regenspurgischen
22
amnisti guete wißenschafft haben, dannoch eine universalamnisti begehren
23
und darauf beharren, welchem zuvolg Ihre Churfürstliche Durchlaucht zu
24
Brandenburg alß eine seuel des reichs und innerlicher rath Ihrer Kayßer-
25
lichen Mayestät zu befürderung des allgewünschten friedens, aufhebung der
26
innerlichen unrhue und einmüthiger zuesammensetzung einzurathen nit
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vorbeygekönt, daß Kayßerliche Mayestät allergnedigst nachgeben wolten,
28
daß die von den cronen vorgeschlagene amnistia ohne einigen anhang
29
publicirt und der terminus uf anno 1618 gesetzt werde, und daß auß ur-
30
sachen , weiln die innerliche unrhue damahls ihren anfang gewonnen. Es
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wehre zwar nit ohne, daß etliche jahr hernacher erst beyde cronen mit
32
Kayßerlicher Mayestät in feindschafft gerathen, sie hetten aber bezeugt, daß
33
die ursach des kriegs von anfang der Böheimbischen unrhue

37
33 herrühre] Zusätzlich in Kurbayern spA II und sinngemäß, aber knapper in Kur-
38
trier
zA, spA, Kurköln zA I, spA I, Ib: Damals haben das Reich und in specie die
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churfürsten, so etwa mit einiger freundtschafft (dahin man das wortt „necessitando“

43
Der aus dem Vorspann der schwedischen Replik zitierte Passus ( Meiern II S. 192) behauptete,
44
Kg. Gustav Adolf sei notgedrungen den deutschen Reichsständen zu Hilfe geeilt.

40
verstehet) bey den cronen verwandt, wie nicht weniger das königreich Böheimb
41
mit dessen zuegehörigen, das haus Pfalz, Württenberg, Baaden, die statt Augs-
42
purg , in der Schwedischen proposition benennet, noch glücklich floriert.
herrühre, und
34
wehren sie zu dem end uf des reichs boden kommen, die reichsständ bey

[p. 465] [scan. 589]


1
ihren privilegien zu manuteniren; werden sich also dieselbe nit abweißen
2
noch ihrer waffen ungerechtigkeid bezüchtigen laßen. Und wann man ihnen
3
auch vorwerffen wolte, daß sie mit den statibus imperii et eorum causis
4
nichts zu thun, werden sie sich doch nit abweißen laßen, weiln ein anders
5
auß ihren causis erhellet, der Prager frieden und amnistia auch nit von allen
6
beliebt, sonder allein per maiora gemacht worden, auch nur alß eine
7
transaction und nit pro norma zu halten.

35
7–8 Die – laßen] Fehlt im ursprünglichen Text von Kurbayern K II; zusätzlich in Kur-
36
bayern
spA II, sinngemäß in Kurtrier zA, spA, Kurköln zA I, spA I, Ib: Der
37
Vorschlag Kurtriers, die Beratungsthemen zu teilen, wurde im rath nicht angenohmmen,
38
weilen die cronen bereit handt angelegt und darbei wohl beharren wurden.
Die cronen werden von der ständ
8
sachen sich nit abhalten laßen, noch auch die gravirte ständ solches gern
9
sehen, solang sie nit vollkommentlich restituirt, sondern sich ihres rechtens
10
geprauchen; dahero dann endlich dießes entstehen werde, daß die restitu-
11
tion omnis causae ad tempus der abnahm beschehen müste.

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Daß aber die gravirte ständ, in specie aber daß hauß Pfaltz, ihre sachen
13
absonderlich vortragen und suchen solten, daran müsten sie zweiveln, ob
14
sie solches thun und nit davorhalten werden, sie neben andern zu resti-
15
tuiren und dahero ihre sach so clar alß andere, demnechst aber, da einer
16
oder ander ahn sie zusprechen, sie zur clag zu verweißen, ex regula, quod
17
gravatus

39
17 sit] Danach zusätzlich in Kurtrier zA, spA, Kurköln zA I, spA I, Ib, Kurbay-
40
ern
K II, spA II ante omnia.
sit restituendus etc. Sie zweiveln auch, ob die cronen damit con-
18
tent sein und nit die tractaten dardurch vielmehr remoriren werden.

19
Quoad res iudicatas, daß zu Mühlhaußen alle vorige actus approbirt worden,
20
auch schimpflich sein solte, solche

41
20 verhandlete sachen] Zusätzlich in Kurbayern spA II: worüber doch die acta manns-
42
höche erreicht.
verhandlete sachen zu retractiren, auch
21
eine große confusion auß der auffhebung rerum transactarum entstehen
22
würde, wie nit weniger, daß einige sich uf den wiederigen fall dabey mit
23
hülff andern manuteniren werden, darüber woltens sie lieber der sachen
24
verlauff reden und den außschlag geben laßen, alß einige anregung davon,
25
und waß in der Schwedischen replic enthalten, zu thun.

26
Wegen restitution der cron Böheimben müste Ihr Gnedigster Herr es dahin
27
stellen, daß die cron Schweden solches urgirte. Solte sie auch darauf beharren,
28
müste man fernerer handlung gewarten, ehe man zuvor weiter mit ihnen
29
verfahren und den frieden remoriren mögte. Da nun solche sach ferner
30
vorkommen solte, reservirten sie Ihres Gnedigsten Herrn votum; und
31
werde Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht auch niemand verdencken, daß
32
sie ihres hertzogthumbs Jägerndorff mit anregung thun laßen. Dieselbe
33
bezeigten vor Gott, daß sie Kayßerlicher Mayestät in einigerley weg zu
34
nahe zue tretten nit gemeint; es seye zwar bekand, welchergestalt weyland

[p. 466] [scan. 590]


1
ihr herr vetter desselben entsetzt worden

33
Mgf. Johann Georg von Brandenburg, Herzog von Jägerndorf (1577–1624) (über ihn Schulz
34
S. 2ff., 132–134, ADB 14 S. 175f. ), wurde nach Teilnahme am Böhmischen Krieg von Ks.
35
Ferdinand II. am 22. Januar 1621 geächtet ( Copia S. 21ff., passim); das Herzogtum Jägerndorf
36
wurde den Prätendenten Mgf. Christian Wilhelm und Georg Wilhelm von Brandenburg und damit
37
dem Haus Brandenburg entzogen ( Schulz S. 80ff., 126–130).
, weiln sich derselbe in dem
2
Boheimbischen krieg mit geprauchen laßen. Es hetten aber weyland yetziger
3
Churfürstlichen Durchlaucht herr vetter deroselben befügnus genugsamb
4
ahn tag gestelt, dieselbe wehren vor dem krieg in rhuiger possession sol-
5
chen hertzogthumbs geweßen, und nunmehr solches uff ietzige Ihre Chur-
6
fürstliche Durchlaucht devolvirt

38
Jägerndorf war 1524 von Brandenburg-Ansbach gekauft worden und an die Kurlinie gekommen;
39
am 30. Oktober 1606 überließ es Kf. Joachim Friedrich von Brandenburg seinem Sohn Mgf.
40
Johann Georg (mit den Städten Leobschütz, Jägerndorf und den Pfandherrschaften Oderberg und
41
Beuthen), er erhielt aber dafür nicht die ksl. Bestätigung ( Schulz S. 34ff., Moerner S. X,
42
30).
. Und wann auch schon andere nit resti-
7
tuirt , so werde Ihr Gnedigster Herr doch dieße restitution urgiren, dann
8
man sie nichts beschuldigen könde, und hetten sie desienigen, so die andere
9
verschuldet, nit zu entgelten.

10
Die restitution der Churpfaltz erachten sie einen hohen puncten, davon
11
viel dependirt, deßen sich auch andere neben Franckreich und Schweden
12
eyfferig angenohmmen, auch zue Regenspurg und Franckfurth die reichs-
13
ständ , darunder viele catholische, darfürgehalten, daß ohne hinlegung der
14
sachen kein fried zu hoffen.

15
Die restitution Würtenberg, Baden Durlach und statt Augspurg hielten sie
16
pillig und daß derentwegen Kayßerliche Mayestät zu ersuchen, allermaßen
17
dann Ihr Gnedigster Herr albereit in particulari ahn Kayßerliche Mayestät
18
dergleichen recommendation abgehen

27
18 laßen] Zusätzlich in Kurbayern spA II, Kurköln zA I, spA I, Ib: Kurbrandenburg
28
hat in diesem Sinne bereits in Regensburg und Frankfurt votiert.
laßen.

29
18–20 Seyen – außzulaßen] Deutlicher in Kurbayern spA II: Die entsprechenden Artikel,
30
der 3. der schwedischen und der 4. der französischen Proposition mit den Worten necessitudine
31
iuncti fuerant et etiamnum sunt electores , können folglich bleiben, und die restriction
32
auf die Regensburger Amnestie in der Kaiserlichen resolution ist auszulassen.
Seyen also der meinung, daß
19
der cronen replicen nach die amnistia uff anno 1618 zue extendiren und die
20
addirte restrictiones außzulaßen.

21
Kurmainz . Nechst kürtzlicher recapitulirung der herrn vorstimmenden
22
votorum befinden in durchsehung ihrer instruction, daß Ihre Churfürst-
23
liche Gnaden zue Maintz […] sich die generalamnistia gleich hiebevorn,
24
also auch anietzo nit zuwider sein laßen, wann dieselbe reciproca und ein
25
theil sowohl als der ander sich deren zu erfreuen hatt und daß der scopus
26
der vereinigung mit Kayßerlicher Mayestät und den ständen und denselben

[p. 467] [scan. 591]


1
under sich erlangt und nit etwan die ursachen, warumb bishero die beruhi-
2
gung nit erhalten werden könne, noch bevorpleiben mögen. Und nach-
3
demahln dießes alles anno 1641 zu Regenspurg sehr reifflich und wohl be-
4
dacht , auch mit Ihrer Kayßerlichen Mayestät verglichen und in reichsab-
5
schied gepracht und publicirt worden, so finden Ihre Churfürstliche
6
Gnaden reifflich erwogenen sachen nach bey sich nit, wie auff der frembden
7
cronen begehren ohne besorgende höchstschädliche consequenz von dem-
8
selben abzustehen sein werde, zumahln, soviel besagte cronen belanget,
9
dieselbe auch selbsten darfürhalten, daß die amnistia ferner nit extendirt
10
werden könde alß auff die jahr, da sie mit Kayßerlicher Mayestät in krieg
11
gerathen. Der Kriegseintritt Schwedens im Jahr 1630 ist bekannt, wobei es dahero
12
auch pillig verpleibe, cum quisque debeat manere intra limites et latitudinem
13
sui belli, prout apud omnes gentes usu receptum nec extet exemplum in
14
contrarium. Die Schwedische herrn legaten selbsten wisten die erste hosti-
15
litates , darin sie mit dem reich gerathen, weiter nit alß ad annum 1628 zu
16
extendiren, wie dann der könig in Schweden bey seiner ersten ankunfft uf
17
des reichs boden in seinem publicirten manifest, auch ahn die herrn chur-
18
fürsten des reichs abgangenen schreiben deutlich von sich geschrieben,
19
daß er nit allein durch den gantzen Teutschen krieg mit Kayßerlicher
20
Mayestät und dem reich in unverletzter und ungeferbter freundschafft und
21
neutralitat gehalten, sondern auch weder vor noch nach demselben einigen
22
rechtmeßigen schein einiger beleidigung gegeben

35
In verschiedenen Schreiben an deutsche Fürsten betonte Kg. Gustav Adolf, einen Verteidigungskrieg
36
nicht gegen das Reich und seine Verfassung, sondern gegen deren Zerstörer zu führen ( Droysen ,
37
Schriftstücke S. 7–9, 12, 18, 91–93, Kretzschmar , Gustav Adolfs Pläne nr. 15 S. 374);
38
seine „Expedition ins Reich“ begründete er mit dem Hilfeersuchen Stralsunds 1628 und den
39
Gewalttätigkeiten des ksl. Heeres an der Ostseeküste ( Londorp IV S. 73–77). Nach der
40
Landung der schwedischen Truppen in Peenemünde am 26. Juni 1630 waren zunächst Propaganda
41
und begrenzte, auf die Situation zugeschnittene Kriegsziele bei Gustav Adolf noch sehr aufeinander
42
bezogen ( M. Roberts II S. 406f., 417ff., bes. S. 423–425).
; qua professione regia
23
stante, kan inmittels kein ius vel causas belli contra Caesarem et imperium
24
gehabt noch dahero ursach haben, die amnistia ad annum 1618 zu ziehen.

25
Bey dem mit Chursachßen anno 1635 bevorgeweßenen tractat

43
In den Friedensverhandlungen zwischen Schweden und Kursachsen 1635 war über die Amnestie-
44
frage , in der Kursachsen von einer Amnestie ab 1630 ausging, Schweden aber Amnestie seit 1618
45
verlangte, Einigkeit nicht erzielt worden ( Dickmann S. 72–77).
hatt die
26
cron Schweden anfenglich auch terminum amnistiae ad annum 1618 zu-
27
rückgesetzt haben wollen, nachdemahln man aber uff seiten Ihrer Chur-
28
fürstlichen Durchlaucht dießfals die notturfft remonstrirt, hetten sie ac-
29
quiescirt , daß es der amnisti halber bey dem termino de anno 1630 zu
30
laßen, und beneben begehrt, daß die noch ubrige ständ, so dem Prager
31
frieden nit einverleibt, in denselben auffgenohmen werden mögten. Dafern
32
gleichwohl die cron Schweden die in bemelten jahr 1628 vorgangene und
33
angebene offensiones iha mit in die amnisti gezogen, auch noch einige
34
causas particulares darin begrieffen haben wolte, hielten sie dafür, daß

[p. 468] [scan. 592]


1
solches endlichen Ihrer Kayßerlichen Mayestät auch nit zuwider, sondern
2
dem werck durch absonderliche limitationes wohl abzuhelffen sein werde.

3
Sie hetten auß der herrn Churtryrischen voto den Vorschlag einer Abhand-
4
lung
der Reichssachen ohne Hinzuziehung der auswärtigen Mächte vernohmen,
5
halten dies für mehr alß pillig, wehren auch der meinung, daß solches uff
6
alle weg versucht und dabey bestanden werde. Es hetten zwar die herrn
7
Churbrandenburgische davorgehalten, es würden die frembde cronen, weiln
8
sie albereit hand angelegt, davon nit abweichen, die ständ selbsten auch
9
solches mit begehren; wie deme allem,

34
9 so – Tryr] Hoffet es auch von anderen, bemerkt Kurmainz laut Kurtrier zA,
35
spA danach noch.
so verglichen sie sich mit Tryr.

10
Daß sonsten alles daßienige, waß mit vorgehabtem rath und wohlbedachtem
11
muth berathschlaget, beschloßen und ins reich publicirt, iha sogar transi-
12
girt , decidirt und praevia causae cognitione abgeurtheilt worden, ietzo
13
[…] cassirt werden solle, solches befinden Ihre Churfürstliche Gnaden
14
[…] dem Römischen reich disreputirlich. Und damit nit etwan einiger
15
bruch in die reichsconstitutiones gemacht werde, seyen sie der meynung,
16
daß es beim Regenspurgischen reichsschlueß anno 1641 zu verpleiben, umb
17
soviel mehr,

36
17–20 weiln – wolle] Zusätzlich in Kurbayern spA II, K II, sinngemäß auch in
37
Kurtrier zA, spA, Kurköln zA I, spA I, Ib: durch welche clausl dem kurbranden-
38
burgischen
Einspruch, das gemelt Regenspurgische amnestia per maiora geschlossen
39
worden, trefflich begegnet werden kan

41
Das Gutachten über die Generalamnestie, das dem Regensburger Reichsabschied von 1641 ein-
42
verleibt wurde, war in der Tat durch Verhandlungen zwischen den wichtigsten Reichsständen und
43
nicht durch reine Mehrheitsentscheidungen zustandegekommen; allerdings hatten die Protestanten
44
dabei doch stets mit der Gefahr von Majorisierungen rechnen müssen ( Bierther S. 159–185).
.
weiln die protestirende selbsten per expressum dieße clausul
18
dem amnistiedict einzuverleiben begehrt, daß alles, waß geschloßen, ins-
19
künfftig verpleiben solle, es falle auch daß unwandelbahre glück der waffen,
20
wohin es wolle; und weiln sie befinden, daß Churtryr, -cölln und -bayern auch
21
der meinung, so falle daß conclusum vor sich, daß dem iüngsten Regens-
22
purgischen reichsabschied gemeß alles in dem stand zu laßen, wie es anno
23
1627 den 12. Novembris in ecclesiasticis, in politicis aber anno 1630 ge-
24
weßen .

25
Belangend die erbkönigreich und landen, da wehre bekand, auß waß er-
26
heblichen ursachen dieselbe von der amnisti außgeschloßen worden. Sie
27
hetten auch die nachricht, daß die Böheimbische ständ und underthanen
28
nit begehrten, in die amnistia eingeruckt zu werden;

40
28–33 da – werden] Fehlt in Kurbayern K II, spA II.
da aber ein oder
29
ander particularpersohn auß den Böheimbischen landen der cron Schweden
30
sago vel toga gedient und dieselbe sich deßen annehmen wolte, so stünde
31
dahin, daß sie solches vorprächten. Zweivelten nit, Ihre Kayßerliche Maye-
32
stät solches gern anhören und befundenen dingen nach sich darauff aller-
33
gnedigst erclären werden.

[p. 469] [scan. 593]


1
Die Pfaltzische sach belangend, seye dieselbe mit allerseits interessirten
2
consens zu particulartractaten außgestelt worden

21
Siehe oben S. [ 457 Anm. 2 ] .
, dahero sie dafürhielten,
3
es werde auch dabey sein verpleiben haben,

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3–5 inmaßen – leiden] Laut Kurbayern K II, spA II und entsprechend Kurköln
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zA I, spA I, Ib bemerkt Kurmainz dazu außerdem noch: Da sich das churfürstliche
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collegium und der dänische König zu interponenten gemacht, verbleibt es auch dabey.
inmaßen sie dann auch berichtet
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seyen, daß den Interessenten nit zuwider, darüber noch dießorths parti-
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culartractaten zu leiden.

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Würtenberg

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Da dem 1638 wiedereingesetzten Hg. Eberhard III. von Württemberg die suspendierte Regens-
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burger Generalamnestie von 1641 am Reichstag zugebilligt worden war, die in geistlichen Gütern
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das Stichjahr 1627, in weltlichen 1630 vorsah, konnte er die württembergischen Klöster, die ihm
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erst aufgrund des Restitutionsediktes entzogen worden waren, für sich reklamieren ( Dickmann
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S. 382f., 365f.).
und Nassaw Saarbrücken

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Die Grafschaft Nassau-Saarbrücken war am 6. August 1644 einen Neutralitätsvertrag mit
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Frankreich eingegangen ( Ruppersberg-Köllner II S. 107f., Bierther S. 147 ).
werde durch die amnistia ge-
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holffen .

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Die Baden Durlachische sach wehre res transacta et decisa

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Die schwedische Proposition vom 11. Juni 1645 und die schwedische Replik vom 7. Januar 1646
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verlangten Einbeziehung Baden-Durlachs in die Generalamnestie seit 1618 iM eiern I S. 436,
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II S. 185f., 194, vgl. auch Walther S. 160f.).
, dabey es
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dann auch sein verpleiben.

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Die Augspurgische strittigkeiden seyen nit ratione exercitii, sondern der
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kirchen, so sie den catholischen contra pacem religionis abgenohmmen

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Laut Restitutionsvertrag vom 2. August 1548 zwischen Bf. Otto von Augsburg und dem Rat
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der Stadt Augsburg (1582 bestätigt) wurden in Augsburg den Protestanten nur wenige Kirchen
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gemäß dem Interim überlassen ( Roth IV S. 170, III S. 485, 537f.); im Ringen um die Aus-
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legung der Paritätsbestimmungen des Augsburger Religionsfriedens von 1555 griff die katho-
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lische Seite auf die ihr günstigen Festlegungen des Vertrags von 1548 zurück ( Roth IV S. 680ff.,
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Stetten II S. 792–799).
;
12
und werde davon hernechst noch gered und dahin gesehen werden können,
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wie einem und andern zu

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13 helffen] Laut Kurköln zA I, spA I, Ib, Kurbayern K II, spA II kündigt Kurmainz
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schließlich an, daß demnächst die 2. und 4. Unterabteilung 1 ae classis sowie das Vorwort
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zu beraten sind, laut Kurtrier zA, spA speziell die iura, privilegia et commercia
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imperii.
helffen.

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