Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
Konferenz der kaiserlichen Gesandten und der Deputierten des Kurkollegs Osnabrück 1645 Mai 17

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Konferenz der kaiserlichen Gesandten und der Deputierten des Kurkollegs


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Osnabrück 1645 Mai 17

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DLöben I fol. 34–35 = Druckvorlage. Vgl. ferner Kurmainz Rs FrA Fasz. 7 [ 4 ] nr. 38
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( Relation Kurmainz/Osnabrück an Kf. von Mainz, 1645 V 22 ); Krane Rs RK FrA 92/V
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fol. 10–12’ ( Druck Gärtner V nr. 22 p. 110–115, Meiern I p. 402–404 ).

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Sessionsordnung der Konferenzteilnehmer. Schwedens Forderung nach Ausdehnung des freien Geleits
21
auf die Mediatstände. Interpretation der Präliminartraktate. Hinzuziehung der kurfürstlichen
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Gesandten in Münster. Meinungsverschiedenheiten über die Beteiligung der Reichsstände an den
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Friedensverhandlungen. Amnestieproblem.

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Im Quartier des Grafen Lamberg. Vertreten: kaiserliche Gesandte (Lamberg, Krane), Kurmainz
25
(Cratz von Scharffenstein, J. Adam Krebs), Kurbrandenburg (Löben).

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26 Auf – hin] Laut Krane Rs wurde den kurfürstlichen Gesandten bereits am 13. Mai der Bera-
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tungsgegenstand von ksl. Seite mitgeteilt, damit man gut vorbereitet die Konferenz beginnen
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konnte.
Auf ihre Einladung vom Vortag hin fährt Löben nachmittags umb 4 uhr zu den
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ksl. Gesandten. Diese empfangen ihn am Wagenschlag und lassen ihm den Vortritt
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in ihr audientzzimmer, woeselbsten von den Churmeintzischen her grave

[p. 66] [scan. 190]


1
Kraz undt D. Krebiß albereitt ankomen. Der her grave Lamberch fragte
2
unß, wie wier es mitt der session halten wolten, wier khemen im vertrewen
3
zusammen; undt hatten die stüle, deren 8 wharen, ihrem bericht nach, wie
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es zu Münster gehalten würde, gesetzedt, alß 2 obenan untter der mayestedt
5
oder baltechin undt auff der rechten handt 3, zur linken auch drey, iedoch
6
daß sie runtt gingen undt untten schlossen. Begerte darauff zu wissen, ob
7
wier es auch also wie zu Münster halten wolten. Wier anttwortteten ohne
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bedencken, daß wier nicht gemeinet weren, unß den heren Keyserlichen
9
vorzuzihen; also setzten sich die beyden Keyserliche abgesanthe oban undt
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die Churmeintzischen zur rechten, ich aber zur linken handt. Undt pro-
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ponirte , nachdeme es der her grave von Lamberg begeredte, der her
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D. Cran, unß were wissendt, was wegen vergleittungk der mediatstände
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zwischen ihnen undt den hern königklich Schwedischen legatis vorgangen.

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Wenn sie der sachen nicht allaine reipflich nachgedacht undt befunden,
15
daß untter solcher gesuchten vergleittungk was sonderliches gesuchedt
16
werden müsse, denen immediatständen auch ein groß praejuditium dadurch,
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indeme ihre jurisdiction uber ihre untterthanen laedirdt undt praeterirdt
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würde, zugezogen würde, sondern auch nachgeschlagen undt ex actis so
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viel nachricht hetten, daß die hern Schweden anfängklich keine mediat-
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stände zu vergleitten, sondern bloß drey salvos conductus begerdt, alß
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einen generalen undt 1 vor die frau landtgrävin von Hessen Cassel undt 1
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vor hern Bernharden von Weymar

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Hg. Bernhard von Sachsen-Weimar (1604–1639), Feldherr in schwedischen und französischen
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Diensten (über ihn – mit Literatur – NDB 2 S. 113–115 , ADB 2 S. 439–450 ).
selig, inmassen sie solches beweisen
23
könten, 1. auß der königklich Dennemärkischen gesandtschafft, die Ihr
24
Mayestedt durch dero natürlichen shon hern Christian Güldenlewen

35
Christian Ulrik Gyldenleve ( 1611–1640 ), unehelicher Sohn Kg. Christians IV. von Dänemark,
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Gesandter in Stockholm Anfang August 1638 (DBL 8 S. 469–471, Koch I S. 41, Frideri-
37
cia
I S. 84f. )
in
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Schweden dieser salvorum conductuum verrichten lassen, producirten auch
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einen extract von derselben, 2. daß her Salvius selbsten an beyde herzoge
27
von Sachsen, alß herzogk Julium Heinrichen undt herzogk Franz Carolen

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Als Friedensvermittler zwischen dem Kaiser und Schweden reisten die drei Hgg. Franz Albrecht
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(1598–1642), Julius Heinrich (1586–1665) und Franz Karl (1594–1660) von Sachsen-
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Lauenburg im Sommer 1637 nach Wien und Preßburg; im Auftrag des Kaisers verhandelten sie
41
darauf in Hamburg mit Salvius weiter und wurden auch 1639 wieder in ksl.-schwedische Friedens-
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gespräche eingeschaltet; Schweden verlangte damals Vorpommern mit Wismar und Warnemünde
43
als Unterpfand für drei Millionen Reichstaler Kriegsentschädigung und dazu Militärsatisfaktion
44
( Odhner S. 55f., 59, 64, Fürnkranz S. 194ff., Brockhaus S. 40, 42, Bougeant I
45
S. 365f., Koch I S. 36f.).

28
geschrieben, daß sie, nur weilen sie gleich zu Keyserlicher Mayestedt ge-
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reisedt , erinnert, daß sie gemelter dreyen geleitsbriffe eindertt sein möchten,
30
der mediatstände aber nicht gedacht, welch schreiben sie die herzoge zu
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Prag antroffen, allegirten dergleichen schrifftliche undt mündtliche actus
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mher undt wolten dadurch remonstriren, daß auch der Keyser in dem

[p. 67] [scan. 191]


1
salvo conductu generali untter dem worte adhaerentes die mediatstände
2
nicht verstanden haben wolte

28
Die Formulierung des Präliminarakkords ( Sverges traktater V 2 S. 503 ) ließ beide
29
Interpretationsmöglichkeiten offen. Eine kontroverse Auslegung war während der Präliminar-
30
verhandlungen
von ksl. Seite bereits in Betracht gezogen und bemerkt worden, daß Salvius under
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dem wortt adhaerentes status, et non status immediatos, et mediatos, particularper-
32
sohnen , wohl erbunderthanen hieneinzuflicken vermeint ( Kurz an Ferdinand III.,
33
1638 X 20, Auszug in MEA FrA 7 [ 4 ] nr. 76 ). Vgl. Bougeant I S. 349ff., Theatr.
34
Europ. III S. 969f.
, die heren Schweden es auch anfangklich
3
undt bey den vorgangenen praeliminartractatibus nicht also gemeinedt,
4
möchten whol itzo fast die Portugisen

35
Vertreten war Portugal nach dem Tod des Rodrigo Botelho de Morais ( Januar 1645 ) durch
36
Francisco de Andrade Leitão ( † 1655 ) ( über sie Dic. hist. Port. II S. 695f., III S. 107 ) und Luis
37
Pereira de Castro ( 1592–1649 ) ( über ihn Dic. hist. Port. I S. 531 ), der vorher Gesandter
38
Portugals in Frankreich gewesen war. Vgl. auch APW [ II A 1 nr. 417 S. 657 ] , APW II C 1
39
nr. 224 S. 352, Walther S. 462, Theatr. Europ. V S. 173.
hieruntter begriffen wissen

40
Die Beschlagnahmung der Leiche Botelhos durch ksl. Truppen und die ständige Bedrohung durch
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die spanische Botschaft nahmen die portugiesischen Gesandten zum Anlaß, formell freies Geleit
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und Behandlung als kgl. Gesandte zu fordern; sie konnten dabei auf stärkere Unterstützung
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Frankreichs als Schwedens rechnen und wurden nach Änderung ihrer Vollmacht im Mai 1645
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von den beiden verbündeten Mächten als gleichberechtigte Gesandte (mit Exzellenztitel) anerkannt.

45
Vgl. APW [ II C 1 nr. 50 S. 61f. ] , nr. [ 101 S. 136 ] , nr. [ 117 S. 164 ] , nr. [ 121 S. 169 ] , nr. [ 338 S. 614 ] , nr. [ 331 S. 596 ] , nr. [ 337 S. 610 ] , Meiern II S. 192 , Chemnitz 4, 5 S. 67.
, undt
5
uberdiß zeugeten sie unß

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5 ein schreiben] Laut Krane Rs von 1644 XI 26/XII 6.
ein schreiben, welches die beyden anwhesente
6
köngigklich Schwedische legati alhier noch in neuligkeitt an sie abgehen
7
lassen, worinen sie außdrücklich promittirten, daß, sobaldt die churfürst-
8
liche undt andrer stande gesanthen ankemen, sie mitt der proposition aller-
9
dinges verfharen wolten, alß begereten, wir wolten ihnen unßere parere
10
geben, was ferner bey der sachen zu thun, damitt gleichwhol die haubtrac-
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taten nicht länger remoriredt würden; waß wier ihnen hieruntter rhatten
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würden, deme wolten sie gerne einfolgen. Hierauff gingen untter unß von
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dieser materia allerhandt discourse vor, undt ich erzhelete, daß ich das
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werck auff contradictoriis befindete; hette von deme heren Salvio mher
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dan zuviel verstanden, wie er in contrarium gnugksamb deductiones thun
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könte. Undt könten wier whol einseitigk von der sachen reden, wenn wier
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aber die Schweden uber die sachen, wie gleichwhol billich, der gebür nach
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vernhemen solten undt beyde teile kegeneinander hören, würde es gar
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anders lautten. Dieses aber stünde unß nicht zu, sondern es würde whol
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ein mediator, der authoritate in die sachen reden könte, erforderdt. Ich
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hielte dafür, es were die sache zum Hamburgk genugksamb uberlegedt
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undt disputiredt worden; undt hetten die heren Keyserliche abgesanthe, do
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sie itzo den general salvum conductum disputiren wolten, besser gethan,
24
wan sie die nhotturfft erstlich bedacht: Der Keyserliche, sonderlich D.
25
Crane, stellete sich, als ob er sich movirete, daß man ihme nicht baldt
26
beyfall geben wollen; hobe vor, sie könten von dem praeliminarschluß

[p. 68] [scan. 192]


1
im geringsten nicht weichen, der were die cynosura, darnach man sich zu
2
achten, müsse mher denn der Keyserliche general salvus conductus consi-
3
deriredt werden. Wier aber, die churfürstliche gesanthe, nhamen abtritt,
4
beredeten unß miteinander, khamen wieder undt lissen durch D. Krebiß
5
anttwortten,

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5–11 Unsere – worden] Laut – wesentlich kürzerem – Kurmainz Rs sowie laut Krane Rs
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stellt J. Adam Krebs stärker auf den mangelhaften Informationsstand der Kurfürsten und den
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Instruktionsmangel ihrer Gesandten ab, auch spricht er einen Tadel wegen Nicht-Hinzuziehung
38
der Kurfürsten zu den Präliminartraktaten nicht direkt aus.
Unsere Gnedigste Churfürsten undt Heren bey unserer ab-
6
fertigungk dafürgehalten, diese praeliminarsachen, darüber man in die 7
7
jhar laboriredt, hetten allenthalben ihre richtigkeitt. Undt hetten unß umb
8
soviel desto weniger darüber iusticiiren können, Ihr Churfürstliche Chur-
9
fürstliche Gnaden undt Durchlaucht hetten niemandsen der ierigen bey
10
den praeliminartractaten gehabt, weren auch nicht, wie es gleichwhol
11
billich gewesen, dazu requiriredt worden

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Indes waren die Kurfürsten nicht nur auf dem Reichstag von 1641 zur Geleitsfrage gehört worden,
43
ein kurfürstliches Gesamtgutachten dazu liegt auch vom 6. November 1638 vor (Druck Theatr.
44
Europ. III S. 970f.).
; also wolte Unsern Gnedigsten
12
Churfürsten undt Heren weniger unß gebüren, dasjenige, was durch inter-
13
position Ihrer Königklichen Mayesstedt in Dennemark zwischen Keyserlicher
14
Mayestedt undt den beyden cronen praeliminarie behandelt, beschlossen,
15
zu papier bracht, auch durch den general salvum conductum gleichsam
16
ferner approbiredt worden, zu

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16 syndiciren] In Kurmainz Rs noch: und uns an der interpretation der ietzo controvertirten
40
wörtter foederati undt adhaerentes zu versuchen.
syndiciren. Stelleten aber dahin, ob sie die
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churfürstliche zu Münster anwhesende gesante hierüber consultiren undt
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ihre zurükerhaltende gedancken unß eröffnen wolten, so wolten wier unß
19
weitter, ob wier etwas zur sachen zu reden unß untterstehen dörfften, unß
20
vernhemen lassen;

41
68, 20 –69, 10 denn – unbeanttworttedt] Fehlt in Kurmainz Rs und Krane Rs.
denn die heren Keyserliche sich doch hernach auff
21
unseren rhatt bezihen undt unß die veranttworttungk auffbürden würden.

22
Her D. Cran anttworttete also stante mitt ja undt sagte, freilich würden sie
23
sagen, daß die churfürstlichen abgesanthen es ihnen, was geschehen, ge-
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rhatten , denn Keyserliche Mayestedt hätten sie dahin gewiesen, daß sie
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unsern rhatt einfolgen solten. Sie verstünden so viel, daß wier ihnen nicht
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einrhatten wolten, wüsten nicht, wie sie es anstellen solten. Zu Münster
27
were er D. Cran dieserhalber gewesen, aber nichts gewisses oder rhätt-
28
liches zurükbracht; es were nhöttigk, daß wier alle an einem orte beysamen
29
weren. Ich sagte darauff, ich hette von hern Ochsenstirn penetriredt, daß
30
die hern Schweden nicht darein willigen würden, wenn aber der Keyser
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einen reichßtagk außschreiben wolte, da möchten sie whol zu verstehen.

32
D. Cran sagte, das würde zu weittleufftigk sein; D. Krebes fhiele ihme in
33
die rede, es hette Carolus V. auch friede gemacht, aber die stände des
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reiches nicht dabey gehabt. Ich anttworttete, damhals weren die stände auch

[p. 69] [scan. 193]


1
so hoch nicht daran interessiredt gewesen, mann hette nicht so viel chur-
2
fürsten verjagedt undt gefangen gehalten, man hette nicht so viel fürsten,
3
graven undt heren das ierige genomen undt sie ins exilium gejagedt, man
4
hette nicht so viel reichsstätte mitt ungewhönlichen pressuren gedrükedt,
5
in uno verbo, man hette die stände in religion- undt prophansachen nicht
6
also gekränkedt, man hette auch nicht so vielerley freunde undt manncher-
7
ley wapfen im reich gehabt. Also hette es dato gar eine andere beschaffen-
8
heitt , undt müsten gleichwhol die churfürsten des reichs auch dasjenige
9
beobachten, warzu sie ihr churfürstliches hohes ambt anweisen thäte.

10
Dieses aber bliebe unbeanttworttedt, undt sagte D. Cran, so müssten sie
11
gleichwhol den Schweden eine anttwortt geben; denn die hetten ihnen
12
durch den decanum von S. Johan

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Raban Heistermann. Er hatte eine schwache Autorität als Vermittler zwischen den ksl. und
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den schwedischen Gesandten in Osnabrück.
zuendtbitten lassen, daß wan sie sich
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erkleren würden, daß ihre adhaerentes untter den geleit des general salvus
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conductus hiero sicher erscheinen, verbleiben undt abreisen solten, so
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wolten sie von ihnen kein gleitte begeren: Undt wenn sie die Keyserliche
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das willigten, so hetten die Schweden, was sie begeredt, erhalten; würden
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ihnen also etwa sagen lassen,

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17–20 sie – darauff] Statt dessen in Kurmainz Rs: Den Schweden soll freigestellt werden,
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mediati und privati in ihrem Namen, nit aber in vim praeliminaris conclusi oder des
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general salvi conductus anhero zu vergleiten. ( In Krane Rs beide Versionen: für Stralsund
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kann so verfahren werden ). Kurmainz und Kurbrandenburg behalten sich vor, daß ein solcher
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Bescheid an Schweden ihnen zu keinem praeiudiz gereichen soll. Löben hat gegenüber Cratz
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und J. Adam Krebs in privato vernehmen laßen, daß erstlich die königlich Schwe-
29
dische mit der reichsdeputation nichts zu schaffen haben, zweitens mit auffhebung
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des effectus suspensivi amnistiae wegen deren in sothaner amnistia befindlichen
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reservationen und restrictionen niemanden recht geholffen, sondern eine anderst
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eingerichtete amnistia vonnoten sein und vor das dritte sie Churbrandenburgische
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bey Schweden leichtlich erhalten wolten, das die statt Stralsund nit in specie anhero
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vergleitet werden dörffte.
sie möchten doch diesen passum aussetzen
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undt nur proponiren, damitt das haubtwerk nicht stehen bliebe. Könte
19
doch untter demselben von den gleitten vor die mediatstände künfftigk
20
auch geredet werden etc. Wier anttwortteten nichts darauff, sondern
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nhamen abscheidt undt wurden bis an die gutschen von beyden Keyser-
22
lichen gesanthen begleittedt.

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