Einleitung zur Edition "APW digital"

Historische Einführung

Der Westfälische Frieden beendete den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) und löste politische Probleme, die seit mehr als hundert Jahren das Heilige Römische Reich und Europa belastet hatten. Seine Grundsätze und Normen prägten die deutsche und die europäische Geschichte bis ins frühe 19. Jahrhundert. Bei den Verhandlungen des Westfälischen Friedenskongresses (1643-1649) wurden Prinzipien, Verfahren sowie Sprach- und Handlungsmuster des Friedenstiftens angewendet, die für spätere Friedenskongresse, -verhandlungen und -verträge vorbildhaft wurden.

Diese Einführung stellt den Friedenskongress selbst, seine Teilnehmer, den Verhandlungsverlauf, die politischen Probleme und ihre Lösungen vor. Separate Einführungen bieten einen Überblick über die Edition der Akten des Westfälischen Friedenskongresses ( "Acta Pacis Westphalicae") sowie über deren digitale Präsentation ( "APW digital").

Der Kongress

Der Westfälische Friedenskongress tagte in den beiden relativ bescheidenen Bischofsstädten Münster und Osnabrück. Noch nie hatte es einen internationalen Friedenskongress mit so hoher Teilnehmerzahl gegeben. Nur Konzilien hatten eine vergleichbare Größenordnung. Sie dienten vor allem hinsichtlich des Zeremoniells als Vorbild.

Der Friedenskongress sollte den aus mehreren militärischen Konflikten bestehenden Krieg beenden, der 1618 in Böhmen begonnen hatte. Fast alle europäischen Großmächte waren involviert. Im Einzelnen ging es um die Befriedung von vier verschiedenen Konflikten: Erstens sollte der seit 1568 währende Unabhängigkeitskampf der nördlichen Niederlande gegen Spanien beendet werden. Zweitens war der 1635 erklärte Krieg zwischen Frankreich und Spanien zu schlichten. Drittens und viertens ging es um die Beilegung der kriegerischen Konflikte, die zwischen Kaiser und Reich einerseits und Frankreich (seit 1635) sowie Schweden (seit 1632) ausgetragen wurden. Bis 1648 gelang es, immerhin drei Friedensverträge zu schließen. Eine "pax universalis" wurde jedoch nicht erreicht: Spanien und Frankreich beendeten erst 1659 im Pyrenäenfrieden ihre kriegerischen Auseinandersetzungen.

Bereits während des Kriegs gab es Friedensbemühungen. Viele dieser Verhandlungen verliefen bilateral und scheiterten. Auch der ambitionierte Prager Frieden zwischen dem Kaiser und Kursachsen (1635) konnte den Krieg nicht beenden, obwohl ihm fast alle Reichsstände beitraten. Der vom Papst angeregte Kölner Kongress zur Beilegung des Kriegs zwischen Habsburg und Frankreich nahm nie seine Arbeit auf.

Erst im Dezember 1641, mit der Unterzeichnung der Hamburger Präliminarverträge, wurden die Weichen für einen multilateralen Gesandtenkongress gestellt. In Hamburg wurde bestimmt, dass die Verhandlungen in Münster und Osnabrück stattfinden sollten, wozu beide Städte bis zum Friedensschluss für neutral zu erklären waren. Ein Waffenstillstand wurde nicht vereinbart. Vielmehr dauerten die Kämpfe an bis zu den Friedensschlüssen von 1648 bzw. 1659.

In Hamburg wurde der 25. März 1642 als offizieller Beginn des Kongresses festgelegt. Doch erst seit 1643 entsandten die Hauptverhandlungspartner ihre Bevollmächtigten nach Westfalen. Wie der Kongress mit der sukzessiven Anreise der Delegationen begann, so endete er 1649 durch deren allmähliche Abreise.

Teilnehmer

Neben dem Kaiser, Spanien, Schweden, Frankreich, den Niederlanden, der Republik Venedig und dem Heiligen Stuhl waren auch sämtliche Reichsstände auf dem Friedenskongress vertreten. Frankreich und Schweden setzten ihre Beteiligung gegen lang anhaltenden kaiserlichen Widerstand durch. Ihre Zulassung durch Ferdinand III. im August 1645 war ein Schritt von erheblicher Tragweite. Bisher hatte der Kaiser gemeinsam mit den Kurfürsten das Reich nach außen hin vertreten. Nun wurde dieses Recht auch auf die Fürsten und Reichsstädte ausgedehnt.

Insgesamt wurde der Kongress von ca. 110 Gesandtschaften besucht, die 16 verschiedene europäische Staaten repräsentierten und über 140 Reichsstände vertraten.

Der Kaiser hatte mehrere Bevollmächtigte in beide Kongressstädte entsandt, während Spanien, Frankreich und die Niederlande in Münster verhandelten und Schweden in Osnabrück.

Die reichsständischen Vertreter tagten, wie auf Reichstagen üblich, in den drei Kurien Kurfürstenrat, Fürstenrat und Städterat. Auf dem Kongress teilten sich Fürsten- und Städterat in vier Teilkurien, von denen jeweils zwei in Münster und zwei in Osnabrück ihre Beratungen abhielten. In Münster war der Teilfürstenrat zwar mehrheitlich katholisch, in Osnabrück mehrheitlich protestantisch, doch waren beide mit Bedacht gemischtkonfessionell besetzt. Der Städterat war hingegen in Münster einheitlich katholisch und in Osnabrück einheitlich protestantisch. Der Kurfürstenrat blieb als kleinste Kurie ungeteilt und tagte je nach Verhandlungsschwerpunkt zeitweise in Münster, zeitweise in Osnabrück.

Während des Kongresses trafen nie alle Gesandten der Verhandlungsparteien zusammen. Plenarsitzungen, wie wir sie heute von politischen Gipfeln kennen, gab es also entgegen weitverbreiteter Meinung nicht. Denn erstens bestand nicht zwischen allen Parteien Verhandlungsbedarf. So führte Schweden keinen Krieg gegen Spanien, und die Niederlande hatten nur mit Spanien, aber nicht mit dem Kaiser, Schweden oder Frankreich zu verhandeln. Zweitens verhinderten die zeittypischen Auseinandersetzungen um den Vorrang ein Zusammentreffen der spanischen und französischen Gesandten. Deshalb fungierten der Heilige Stuhl und Venedig in Münster als Mediatoren. Diese Friedensvermittler waren der päpstliche Nuntius Fabio Chigi und der Botschafter Alvise Contarini für die Republik Venedig. Ferner vermittelten die Niederlande zeitweise zwischen Frankreich und Spanien sowie Schweden zwischen Frankreich und den Reichsständen. Auch in Osnabrück, wo prinzipiell ohne Vermittler verhandelt wurde, trafen sich die Verhandlungspartner selten direkt. Vielmehr ließ meist eine Partei der anderen ihre schriftliche Stellungnahme durch einen Sekretär zustellen. Falls doch direkt verhandelt wurde, geschah dies in einem der Gesandtschaftsquartiere.

Verhandlungsverlauf

Innerhalb der komplexen Verhandlungsgeschichte des Kongresses lassen sich mehrere Etappen ausmachen.

Am 11. Juni 1645 begannen die substanziellen Beratungen damit, dass die Verbündeten Frankreich und Schweden ihre Friedensvorschläge (Propositionen) den kaiserlichen Gesandten übergaben. In den Responsionen vom 25. September 1645 beantwortete der Kaiser Punkt für Punkt die Propositionen und akzeptierte dabei auch die bislang abgelehnte Aufnahme von Verhandlungen über das Reichsreligionsrecht. Anfang Januar 1646 folgten die schwedischen und französischen Repliken (Entgegnungen), in denen erstmals offiziell die territorialen Forderungen benannt wurden.

Am 13. September 1646 vereinbarten die kaiserlichen und französischen Gesandten in einem zeitlich befristeten, nicht veröffentlichten Abkommen den Umfang der territorialen Abtretungen, die der französische König von Kaiser und Reich erhalten sollte. Trotz zwischenzeitlicher Modifikationen wurden diese "Septemberartikel" 1648 kaum verändert in den kaiserlich-französischen Friedensvertrag übernommen. Die kaiserlich-schwedischen Verhandlungen erzielten am 18. und 19. Februar 1647 einen Durchbruch. Der Kaiser, Schweden und Kurbrandenburg einigten sich auf die schwedische Territorialsatisfaktion.

Mit den sogenannten "(Proiecta) Trauttmansdorffiana" vom Juni 1647 legte die kaiserliche Gesandtschaft Vertragsentwürfe vor, die bereits große Teile des späteren Friedens mit Frankreich und Schweden enthielten. Der Friedensschluss schien greifbar nahe, jedoch wollte vor allem Frankreich in dieser Situation nicht abschließen. Dennoch verließ Trauttmansdorff im Juli 1647 den Kongress, woraufhin die Verhandlungen stockten. Der Kongress schien in einer Krise, allerdings wurden die Verhandlungen mit Frankreich im Herbst erfolgreich fortgesetzt.

Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zum Frieden gelang mit dem kaiserlich-französischen Vorvertrag vom 11./14. November 1647. Anschließend ruhten die Verhandlungen zwischen Kaiser und Frankreich fast bis zum Friedensschluss im Oktober 1648, während nun wieder die kaiserlich-schwedischen Verhandlungen vorankamen.

Im Frühjahr 1648 konnte eine Reihe vorläufiger Abkommen unterzeichnet werden, die zusammengenommen bereits große Teile des kaiserlich-schwedischen Friedensvertrags ergaben. Am 13. Juni einigten sich schwedische und reichsständische Gesandte über die Summe, die Schweden für die Abdankung seiner Truppen in Deutschland forderte, am 10. Juli über die Zahlungsmodalitäten. Am 6. August waren die Verhandlungen über die letzten strittigen Punkte, den Vollzug des Friedens und dessen Sicherung, so weit gediehen, dass der kaiserlich-schwedische Vertrag mündlich geschlossen (stipuliert) werden konnte. Die Schweden verweigerten die Unterzeichnung, da sie dem französischen Verbündeten vertraglich zugesagt hatten, nur mit ihm gemeinsam Frieden zu schließen.

Möglich wurde der kaiserlich-französische Friede erst, als sich Ferdinand III. am 16. September 1648 entschloss, ohne Spanien Frieden zu schließen und die Zusicherung zu geben, die spanischen Habsburger auch in künftigen Kriegen nicht zu unterstützen (vgl. § 3 des kaiserlich-französischen Friedens = IPM). Beide Friedensverträge, der kaiserlich-schwedische und der kaiserlich-französische, wurden am 24. Oktober 1648 in Münster unterzeichnet. Da der kaiserlich-schwedische in Osnabrück ausgehandelt wurde, heißt er "Instrumentum Pacis Osnabrugensis" (IPO).


Die im Januar 1646 beginnenden spanisch-niederländischen Verhandlungen schritten rasch voran. Schon im Mai lag ein Vertragsentwurf vor. Anfang Juli 1646 wurden 70 Artikel des künftigen Vertrags von den spanischen und von drei niederländischen Gesandten unterzeichnet. Am 16. November 1646 beschlossen die Generalstaaten, dass das Ziel der Verhandlungen in Westfalen ein Friedensvertrag und nicht, wie bis dahin anvisiert, ein Waffenstillstand sein sollte. Obwohl Frankreich mit Verweis auf das bestehende französisch-niederländische Bündnis den Vertragsschluss der Generalstaaten mit Spanien zu verhindern suchte, unterzeichneten die niederländischen und spanischen Gesandten am 8. Januar 1647 in Münster 74 "Provisionalartikel". Nur der Vertreter Utrechts blieb mit Rücksicht auf die Allianz mit Frankreich fern. Generell war die Haltung der Generalstaaten gegenüber dem Vertragsschluss mit Spanien nicht einheitlich, doch letztlich wurde er mit Mehrheit bejaht.

Am 30. Januar 1648 wurde der Friedensvertrag in Münster unterzeichnet und, nach Einholung der Ratifikationen, am 15. Mai im Rathaus zu Münster von den beiderseitigen Gesandten beschworen. Die Niederlande waren damit nicht nur faktisch, sondern auch formell von Spanien unabhängig. Zugleich schieden sie ohne formelle Erklärung aus dem Reichsverband aus.


Spanien und Frankreich tauschten zwar schon Anfang Dezember 1644 ihre ersten Propositionen (Friedensvorschläge) aus, indessen begannen ihre substanziellen Verhandlungen erst im März 1646. Da Frankreich die ersten Angebote Spaniens für gänzlich ungenügend hielt, stagnierten die Verhandlungen sofort. Sie kamen wieder in Gang, als sich im September 1646 die Niederlande vermittelnd einschalteten. Aber schon Anfang Dezember zeigte sich, dass die Verhandlungen in vielen Fragen in einer Sackgasse steckten.

Mit einem französischen Vertragsentwurf, den die Spanier im Februar 1647 von den niederländischen Vermittlern erhielten, wurden die Verhandlungen dann endlich auf eine neue Grundlage gestellt. Allerdings reisten kurz darauf die niederländischen Vermittler nach Unterzeichnung ihrer "Provisionalartikel" zur Berichterstattung nach Hause. Die Folge war, dass erneut eine Pause eintrat, die erst im August 1647 endete.

Die von den beiderseitigen Gesandtschaftssekretären am 27. September 1647 unterzeichneten und beim Mediator Chigi hinterlegten Artikel 1-17 und 19-21 des anvisierten Vertrags bedeuteten immer noch keinen wirklichen Fortschritt, weil die umstrittenen Punkte offen blieben. Nachdem beide Seiten weitere Entwürfe vorgelegt hatten, konnten sich die Gesandtschaftssekretäre am 16. November über insgesamt 23 Artikel einigen, die sie bei Chigi deponierten. Über weitere 12 Artikel und einen Geheimartikel war jedoch keine Vereinbarung möglich.

Kompromissvorschläge der niederländischen Gesandten vom Januar 1648 intensivierten noch einmal die spanisch-französischen Verhandlungen, brachten aber keine Fortschritte, ebenso wenig spätere niederländische Initiativen von Ende Mai und Mitte Juni 1648.

Die Probleme und ihre Lösungen

Die gravierenden Meinungsverschiedenheiten der Signatarmächte Kaiser, Schweden, Frankreich betrafen grundlegende Fragen und zahlreiche Detailprobleme. Eine Übereinkunft konnte nur durch Kompromisse erzielt werden sowie durch das Ausklammern jener Probleme, bei denen eine Einigung überhaupt nicht möglich war. Dazu gehörte die Frage, wer den Krieg verursacht hatte. Die Verhandlungspartner einigten sich, die Kriegsschuldfrage nicht zu stellen. Vielmehr sollte alles Geschehen straffrei bleiben (amnestiert werden) und vergessen sein (Artikel II IPO und identisch § 2 IPM). Sofern die Reichsstände irgendeinen Schaden durch den einen oder anderen Teil erlitten hatten, sollten sie in ihren früheren Stand zurückversetzt (restituiert) werden (Artikel III IPO, inhaltlich identisch in § 3 IPM). Das Prinzip der Restitution hatte eine Fülle von hier nicht aufzählbaren Einzelregelungen zur Folge. Hinzu kamen als zentrale Probleme die Forderungen Frankreichs und Schwedens für sich selbst. Sie bezogen sich grundsätzlich auf drei Bereiche: (1) Reichsverfassungsrecht, (2) Reichsreligionsrecht und (3) territoriale Verschiebungen.

(1) Die Verträge mit Frankreich und Schweden sind ausdrücklich als Reichsgrundgesetz bezeichnet (Artikel XVII,2 IPO = § 112 IPM). Die durch die Goldene Bulle von 1356 grundgelegte Reichsverfassung wurde allein schon durch die Errichtung einer neuen, achten Kur für den ältesten Sohn des 1621 geächteten und 1632 verstorbenen Kurfürsten von der Pfalz in einem wesentlichen Punkt modifiziert (Artikel IV,8 IPO = § 16 IPM). Mit dieser Änderung korrespondierte die endgültige Übertragung der fünften Kur auf Maximilian von Bayern und seine Nachkommen (Artikel IV,3 IPO = § 5 IPM). Ferner wurden zentrale reichsständische Rechte in der Form einer Bestätigung zum ersten Mal spezifiziert: namentlich die Landeshoheit, sodann das Zustimmungsrecht der Reichsstände bei allen wichtigen Reichsangelegenheiten einschließlich der Entscheidung über Krieg und Frieden, ferner das Bündnisrecht der Reichsstände, allerdings eingeschränkt durch die Maßgabe, dass sich Bündnisse nicht gegen Kaiser und Reich richten durften (Artikel VIII,1-2 IPO = §§ 62-63 IPM). Durch die Festschreibung ihrer Rechte kamen die Reichsstände in eine Zwischenstellung: Obschon nicht souverän, erhielten sie doch eine gewisse Autonomie innerhalb des Reichsverbands. Die Fixierung der reichsständischen Rechte schwächte in erster Linie die bislang politisch dominierenden Kurfürsten, weniger den Kaiser, dessen Handlungsspielraum allerdings durch das nunmehr verbriefte Mitspracherecht der Reichsstände eingeschränkt wurde.

(2) Der zweite Regelungsbereich betraf das Reichsreligionsrecht. Der Augsburger Religionsfriede von 1555 wurde zwar allgemein bestätigt, aber in strittigen Punkten novelliert. Ausdrücklich bekräftigt wurde der umstrittene Geistliche Vorbehalt, also der zwingende Amtsverzicht für geistliche Fürsten, die zum Protestantismus konvertierten (Artikel V,15 IPO). Damit war der Säkularisierung weiterer geistlicher Territorien ein Riegel vorgeschoben. Neben Katholiken und Lutheranern wurden (anders als 1555) die Reformierten religionsrechtlich anerkannt und den beiden anderen Konfessionen gleichgestellt, jedes weitere Bekenntnis aber ausdrücklich ausgeschlossen (Artikel VII IPO). Bei Fragen mit konfessioneller Komponente wurde ein Mehrheitsbeschluss für unzulässig erklärt. Der Reichstag hatte sich in diesem Fall in zwei Corpora zu teilen, die zu einer gütlichen Übereinkunft finden sollten ("amicabilis compositio"; Artikel V,52 IPO).

Die Frage der umstrittenen konfessionellen Besitzstände wurde nach den Prinzipien von Amnestie (kollektive Begnadigung) und Restitution (Wiedereinsetzung) mit dem Stichtag des 1. Januar 1624 gelöst. Das Datum wurde als Kompromiss gewählt. Diese Regelung (in Artikel V,2 IPO) bedeutete, dass der Besitzstand an geistlichen Gütern und Rechten so wiederhergestellt werden sollte, wie er am 1. Januar 1624 gewesen war (Normaljahrs-Regelung). Sonderrechte behielten allerdings die Protestanten in Schlesien und der Adel in Niederösterreich (Artikel V,38-40 IPO). Darüber hinaus gab es keine Beschränkungen für den Kaiser in seinen Erblanden und in Böhmen. Schweden und die protestantischen Reichsstände behielten sich lediglich vor, sich bei passender Gelegenheit erneut für eine größere Freiheit in der Religionsausübung in den genannten Ländern zu verwenden (Artikel V,41 IPO). Für den künftigen Konfessionswechsel eines Landesherrn von einem zum anderen der beiden protestantischen Bekenntnisse wurde festgelegt, dass der Landesherr selbst zwar wechseln konnte, aber in der öffentlichen Religionsausübung seines Territoriums keine Änderung vornehmen durfte (Artikel VII,1 IPO). Für diesen Spezialfall war das Normaljahr somit 1648. Der Grundsatz des 1555 festgelegten und 1648 bestätigten Jus reformandi wurde also faktisch stark eingeschränkt.

Die Reform der höchsten Reichsgerichte wurde zwar auf den nächsten Reichstag verschoben, jedoch bereits festgelegt, dass beim Reichskammergericht die Stellen der vier Präsidenten und fünfzig Assessoren künftig paritätisch mit Katholiken und Protestanten zu besetzen seien. Ebenso waren in Zukunft die Stellenbesetzungen beim Reichshofrat vom Kaiser nach konfessionell paritätischen Gesichtspunkten vorzunehmen (Artikel V,53-54 IPO). Auch die Reichsdeputationen mussten künftig konfessionell paritätisch besetzt sein (Artikel V,52 IPO).

Bestimmungen, die für die katholische Religion nachteilig waren, wurden nicht wörtlich in das IPM aufgenommen, sondern nur pauschal bestätigt (§ 47 IPM bestätigt die Artikel V und VII IPO). Damit erreichte die katholische Macht Frankreich, diese Regelungen zwar mittragen zu können, sie aber nicht expressis verbis im Vertrag anführen zu müssen. Hingegen wollte der Heilige Stuhl alle Regelungen, die zu Lasten der katholischen Konfession gingen, keineswegs verantworten. Vielmehr legte er Wert auf öffentliche Distanzierung. Das geschah durch mehrfache Proteste im zeitlichen Umfeld von Unterzeichnung und Ratifikation der beiden Verträge 1648 und 1649 durch den päpstlichen Mediator und Nuntius Fabio Chigi. Diese Proteste haben zwar faktisch nichts bewirkt, dienten aber als Rechtsvorbehalt. Papst Innozenz X. hat durch das im August 1650 publizierte und auf den 26. November 1648 zurückdatierte Breve "Zelo Domus Dei" rechtlich Einspruch gegen das in den Friedensverträgen verankerte Reichsreligionsrecht und einige weitere Regelungen erhoben.

(3) Der dritte Komplex betraf die territorialen Veränderungen im Reich. Schweden, Frankreich und Hessen-Kassel erhoben territoriale Forderungen. Schweden erhielt für die Rückgabe seiner sonstigen Eroberungen im Reich das Herzogtum Vorpommern mit Rügen, Wismar mit Poel und Walfisch sowie zwei mecklenburgischen Ämtern, das Erzstift Bremen, das Hochstift Verden und das Amt Wildeshausen, also überwiegend die von ihm begehrten Küstenregionen, die es vom Reich zu Lehen nahm und somit Reichsstand wurde. Da Kurbrandenburg einen berechtigten Anspruch auf ganz Pommern hatte, erhielt es zum Ausgleich für seinen teilweisen Verzicht die Hochstifte Halberstadt, Minden, Kammin und die Anwartschaft auf das Erzstift Magdeburg. Auch Mecklenburg erhielt für seinen Verzicht eine allerdings relativ schmale Entschädigung, die hauptsächlich aus den Bistümern Schwerin und Ratzeburg sowie zwei Johanniterkomtureien bestand. Die genannten geistlichen Güter gingen damit an protestantische Mächte, doch waren sie bereits seit langer Zeit in protestantischen Händen.

Frankreich erhielt, zur Förderung von Frieden und Freundschaft und der öffentlichen Sicherheit, wie es heißt (§ 69 IPM), die lothringischen "Bistumsbezirke" Metz, Toul und Verdun. Damit war das abzutretende Gebiet allerdings nicht eindeutig beschrieben. Die Verhandelnden benutzten unscharfe Begriffe, da nur so eine Einigung möglich war. Das galt auch für die Abtretung der nicht genau definierten habsburgischen Besitzungen und Rechte im Elsass, die Kaiser und Reich und das Haus Österreich zu souveränem Besitz an Frankreich abtraten. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts lieferten die uneindeutigen Formulierungen Ludwig XIV. einen Vorwand zu den "Reunionskriegen".

Hessen-Kassel, als Alliierter mit Frankreich förmlich und faktisch auch mit Schweden verbunden, erhielt von seinen überzogenen territorialen Forderungen wenig, aber immerhin die säkularisierte Reichsabtei Hersfeld als Reichslehen sowie vier schaumburgische Ämter. Eine weitere territoriale Verschiebung ergab sich dadurch, dass Kurbayern als Entschädigung für seine Kriegskosten im Böhmischen Krieg die Oberpfalz mit der Grafschaft Cham erhielt. Die Heidelberger Linie der Wittelsbacher wurde in die verkleinerte rechts- und linksrheinische Unterpfalz restituiert.

Die praktische Umsetzung der Vertragsbestimmungen konnte in Münster und Osnabrück nicht vollständig geregelt werden (Artikel XVI IPO und §§ 98-110 IPM). Besondere Probleme bereiteten Fragen, die mit Abdankung und Abzug der schwedischen Truppen verbunden waren, weil Schweden, das selbst in finanziellen Schwierigkeiten war, vom Reich die Mittel forderte, die zur Entlassung seiner Söldner nötig waren. Die schließlich bewilligte Summe von 5 Millionen Reichstalern wurde auf die Reichsstände umgelegt, die nur in Raten die fälligen Beträge entrichten konnten (Artikel XVI,8 IPO). Die Schwierigkeiten, die mit den Zahlungsmodalitäten und der Rückgabe der besetzten Plätze verbunden waren, wurden auf einem eigenen "Exekutionstag" behandelt, der von April 1649 bis Juli 1650 in Nürnberg tagte.

Ein weiteres, früh erkanntes Problem war die Sicherung des Friedens. Da sich eine Vielzahl von Problemen nur durch Kompromisse als lösbar erwies, waren zwangsläufig viele Beteiligte mit dem Verhandlungsresultat unzufrieden. Daher erhielten beide Verträge eine gleichlautende "Antiprotestklausel", welche sie in ihrer bindenden Wirkung vor schon erhobenen oder künftigen Protesten schützte (Artikel XVII,3 IPO = § 113 IPM). So konnten neben dem Heiligen Stuhl auch viele Reichsstände, die mit bestimmten Regelungen nicht einverstanden waren, sich ihre Rechte vorbehalten (also protestieren), ohne das Vertragswerk zu gefährden.

Neben Problemen, die aus dem jahrzehntelangen Krieg erwachsen waren, gab es weitere, die wenig oder gar nichts mit dem Krieg zu tun hatten. Das wichtigste war das Begehren Basels, nicht länger der Jurisdiktion des Reichskammergerichts unterworfen zu sein. Aus diesem Exemtionsbegehren wurde Artikel VI IPO = § 61 IPM, in dem die Exemtion Basels und der übrigen Orte der Schweizer Eidgenossenschaft festgestellt wurde. Das war keine Souveränität im modernen Sinn, aber der Schweiz wurde auf diesem Weg eine schwer genau zu definierende Unabhängigkeit vom Reich attestiert. Zumindest in der späteren Erinnerungskultur der Schweizer war dies ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu staatlicher Unabhängigkeit, obwohl ihr Gefühl der Zugehörigkeit zum Reich in den Jahrzehnten nach 1648 nur langsam schwand.


Bei den Verhandlungen zwischen Spanien und den Niederlanden ging es unter anderem um Handelsinteressen und dabei auch um die West- und die Vereinigte Ostindische Handelskompanie. Schwierigkeiten bereitete die Festlegung der Grenze im Süden der Republik, zumal in der Meierij van s’Hertogenbosch (Herzogenbusch). Als Problem erwies sich der Schutz der katholischen Konfession in den südlichen Grenzbezirken. Diese Frage wurde schließlich aus dem Vertrag ausgeklammert. Da durch den Friedensvertrag Landesteile an die Generalstaaten abgetreten wurden, ohne dass für den Schutz der dortigen Katholiken Vorsorge getroffen war, protestierte der päpstliche Nuntius Chigi am 18. Mai 1648, also nach der Ratifikation und Beeidung des Friedens. Er tat es nicht öffentlich, weil er annahm, dass sein Protest bei Bekanntwerden die Lage der niederländischen Katholiken weiter verschlechtern würde.


Bei den spanisch-französischen Verhandlungen blieben zuletzt nur noch sechs Probleme übrig, über die keine Einigung möglich schien. Das waren: das französische Beistandsrecht (Assistenzrecht) für Portugal, das sich aus spanischer Sicht der Rebellion schuldig machte; der Umfang der Eroberungen, die Spanien an Frankreich abzutreten hatte; die Befestigungen in Katalonien; die Restitution der Festung Casale im Montferrat; die Restitution von Herzog Karl IV. von Lothringen; die Freilassung des portugiesischen Prinzen Duarte (Eduard), der in Mailand von Spanien gefangen gehalten wurde. Beiden Seiten mangelte es jedoch am entscheidenden Friedenswillen, da sie sich von der Fortführung des Krieges Vorteile erhofften. Daher kam es 1648 in Westfalen zwar zu drei Friedensschlüssen, aber nicht zu der erstrebten "pax universalis".

Christina Schmücker, Maria-Elisabeth Brunert, Guido Braun, Maximilian Lanzinner